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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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mich nicht, wie
die genau organisiert waren, das müssten Sie gegebenenfalls woanders
recherchieren. Vor dem Mauerfall wussten das die Leute auch nicht so genau.
Wahrscheinlich wussten die meisten nicht einmal, dass es die KoKo gibt. Aber
was sie wussten, war, dass Ulrich Dembski ein einflussreicher Bonze war, dem es
an nichts fehlte, auch nicht an Westwaren. Und dass man sich besser nicht mit
ihm anlegte.«
    Stamm schob den leeren Salatteller weg und trennte ein Stück Fisch
ab.
    »Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich gar nicht genau weiß,
was die KoKo überhaupt gemacht hat«, sagte er kauend.
    »Das lässt sich im Groben in einem Satz sagen. Sie hat durch krumme
Geschäfte im Westen Devisen herangeschafft, die am DDR -Staatshaushalt
vorbei für diverse Zwecke verwendet wurden.«
    »Zum Beispiel?«
    »Die Alimentierung der SED -Bonzen, die
Finanzierung geheimer Operationen, die Unterstützung von Terroristen und der DKP in der Bundesrepublik. Dembski war Spezialist für
Scheingeschäfte und hat damit sicherlich zig Millionen D-Mark in die geheimen
Kassen gespült.«
    Stamm dachte nach. »Ich komme mit der zeitlichen Abfolge nicht ganz
klar. Sie sagten, dass Sie Dembski angezeigt haben, dass er sich während der
Ermittlungen abgesetzt hat und ein paar Wochen später gestorben ist. Kaprun war
aber … na, keine Ahnung, jedenfalls nicht so furchtbar lange her. ’98 oder
’99?«
    »November 2000.«
    »Sogar so spät. Frage: Was hat Dembski in den zehn Jahren nach dem
Mauerfall getan?«
    Dr. Terlinden lächelte dünn. »Gut gelebt. Man kann sich doch
vorstellen, dass ein Finanzgenie wie er sich die Wirren der Nachwendezeit
gewinnbringend zunutze machen konnte. Jetzt konnte er ja sogar ungeniert in die
eigene Tasche wirtschaften. Er blieb jahrelang unbehelligt, auch die Verbrechen
an Angela wurden wohl eher nach dem Mauerfall verübt.«
    »Das schwächt aber Ihre Theorie von Dembskis Täterschaft. Wie weich
er nach der Wende auch immer gefallen sein mag, aber seinen Nimbus als
allmächtiger Feudalherrscher dürfte er doch verloren haben.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist erstens nicht ganz richtig. Ein so
starkes Gefühl wie die Angst vor einem skrupellosen Mann wie Dembski
verschwindet nicht über Nacht. Zweitens ist es aber auch denkbar, dass der
Missbrauch schon vorher begonnen hat.«
    »Dem wird Dembski nicht mehr widersprechen können.«
    »Richtig«, sagte die Ärztin ungerührt. »Aber soll ich Ihnen was sagen?
Wenn er noch leben würde, würde ich Ihnen das alles nicht erzählen. Ich bin
auch nicht frei von Angst.«
    »Okay«, sagte Stamm. »Bleiben wir bei der zeitlichen Abfolge. Sie
sagten, Angela wäre seit vierzehn Jahren in Behandlung. Also seit ’94. Wie kam
es dazu? Dembski wird sie ja kaum zum Therapeuten gebracht haben.«
    »Zu diesem Zeitpunkt war sie neunzehn, also volljährig. Sie ist von
zu Hause weggegangen. Um genau zu sein, sogar schon mit siebzehn. Es hat etwas
gedauert, bis die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung erkannt wurde.«
    »Sie ist geflohen.«
    »Davon kann man ausgehen.«
    »Wohin?«
    »Sie ist bei einem ehemaligen Freund der Familie untergekommen, auf
einem Gehöft in einem Weiler ein paar Kilometer östlich von Waren. Er unterhält
dort eine extensive Viehzucht. Seine Rinder beweiden Flächen im Nationalpark.
Angela hilft ihm dabei. Ein Glücksfall für sie. Es geht ihr gut. Sofern man das
in ihrer Situation so sagen kann. Thilo Bach – so heißt der Freund – passt gut
auf sie auf. Er gibt ihr den Halt, den sie braucht, um ihr Trauma vielleicht
eines Tages zu bewältigen.«
    Stamm hatte sein Essen beendet und schob den Teller weg. Er trank
einen Schluck Bier und lehnte sich zurück. »Dieser Bach, hatte er keine Angst
vor Dembski?«
    »Da fragen Sie mich zu viel. Er ist nicht bei mir in Behandlung.
Aber ja, wenn Sie es schon ansprechen, er strahlt eine große Selbstsicherheit
aus. Offensichtlich hatte er keine Angst. Und Dembski hat, warum auch immer,
nie etwas gegen ihn unternommen, nicht einmal nach einer körperlichen
Auseinandersetzung, die die beiden in einem Lokal hatten. Ich weiß nicht, wie
es dazu kam, dass Angela zu ihm gegangen ist. Sie kennt ihn seit ihrer
Kindheit, und er mochte sie offenbar gern. Wie auch immer, es war für sie, wie
gesagt, ganz sicher nicht die schlechteste Lösung. Zum Glück leidet sie auch
keine materielle Not. Vor allem nicht, seit ihr Vater tot ist und sie einen
nicht unbeträchtlichen Teil seines Vermögens geerbt

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