Soljanka (German Edition)
hinterherlauschen. »Sie haben mit Angela
gesprochen?«
»Ja. Gestern.«
»Wie geht es ihr?«, wisperte sie.
»Nicht so sehr gut, um ehrlich zu sein.«
»Was ist … wo ist sie?«
Stamm setzte sich aufrecht hin. »Schauen Sie, Frau Dembski, ich kann
Ihnen ein bisschen was über Ihre Tochter erzählen. Aber ich möchte es nicht so
gern am Telefon machen. Vielleicht können wir uns auf eine Tasse Kaffee
zusammensetzen. Was halten Sie davon?«
Sie zögerte. »Ich weiß nicht, das kommt so plötzlich. Was wollen Sie
denn wissen?«
»Auch das würde ich Ihnen lieber persönlich sagen. Ich bin am
Montagnachmittag sowieso bei Ihnen in der Gegend. Gibt es bei Ihnen in der Nähe
ein nettes Café? Ich würde Sie gern auf eine Tasse einladen.« Da sie nicht
reagierte, fügte er kühl hinzu: »Frau Dembski, ich kann Sie zu nichts zwingen.
Sie können sich ja meine Fragen anhören, und wenn Sie nichts dazu sagen wollen,
dann lassen Sie es eben bleiben, und ich fahre wieder ab.«
Sie brauchte wieder eine Weile, aber dann sagte sie erstaunlich
entschlossen: »Das Altstadtcafé. Um wie viel Uhr?«
»Vor vier schaffe ich es wohl nicht. Sagen wir sicherheitshalber
halb fünf. Oder besser, ich rufe Sie von unterwegs an, dann kann ich Ihnen
genau sagen, wann ich da sein kann. Wie erkenne ich Sie?«
»Ich trage eine rote Strickjacke und werde einen Nordhäuser
Doppelkorn vor mir stehen haben. Ich werde wohl einen Schnaps brauchen.«
Stamm lächelte. »Bis später, Frau Dembski.«
Er speicherte ihre Nummer in seinem Handy und machte sich auf den
Weg zur »Nachbar«.
Wanja saß schon vor einem Alt, als Stamm das Szene-Lokal an der
Birkenstraße betrat. Flingern taumelte seit ein paar Jahren zwischen sozialem
Brennpunkt und coolem Kiez. Die »Nachbar« lag auf der Grenze, gewissermaßen als
Außenposten des angesagten Stadtteilnordens. Als Stamm noch ein paar hundert
Meter entfernt an der Lindenstraße gewohnt hatte, war er gelegentlich in der
In-Kneipe eingekehrt, als sie noch »Schmidts Katz« hieß, um bei einem Omelett
und ein paar Bier die Szene beim Cocktailschlürfen zu betrachten. Einmal hatte
er sogar die Toten Hosen bei einem Geheimgig erlebt.
»Wie geht’s Eva?«, fragte Wanja, nachdem sich Stamm gesetzt hatte.
»Den Umständen entsprechend«, sagte Stamm und gähnte.
Wanja lachte. »Du siehst auch aus wie ’n Fisch auf dem Trockenen.
Was ist los?«
»Bisschen geschlaucht. Bin gestern Abend aus Mecklenburg
zurückgekommen.«
»Mecklenburg?«, fragte Wanja. »Wandelst du auf den Spuren unseres
Oberbürgermeisters?«
»Wieso?«
»Na ja, der hat doch in den Jahren nach der Wende in Schwerin
Aufbauhilfe geleistet. Hat das Justizministerium beraten. Warte mal, wie heißt
das in seiner Biografie? ›Als stellvertretender Vorsitzender des
Rechtsausschusses des Landtags von Nordrhein-Westfalen hat Achim Kostedde das
Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Aufbau eines
funktionierenden Rechtswesens nach Maßstäben der Bundesrepublik Deutschland
beraten.‹ Oder so ähnlich. Sollte dir mal zu Ohren kommen, dass die Justiz im
Meckpomm im Eimer ist, dann weißt du jetzt, warum. Aber dass Kostedde damals im
Landtag war, weißt du?«
»Mir ist, als hätte ich schon mal was davon gehört«, sagte Stamm
gelangweilt. »Aber deswegen war ich nicht da. Das war so ’ne unerquickliche
Satanistengeschichte. Aber apropos Kostedde. Wie kommt ihr mit eurem Bauprojekt
voran?«
Bevor Wanja antworten konnte, erschien eine Blondine mit Schürze am
Tisch und fragte nach Stamms Wünschen. Er orderte ein Wasser, rief die
Bedienung aber im nächsten Moment zurück und änderte seine Bestellung in
Altbier.
»Scheiß drauf«, grummelte er, »ich hab heute eh nicht mehr viel zu
tun, da kann ich mir auch gleich in die Tasche lügen, wir hätten bald Sommer.
Die Kälte geht mir so langsam mächtig auf den Sack. Hast du schon was zu essen
bestellt?«
Wanja schüttelte den Kopf. »Ich hab das Tagesgericht ins Auge
gefasst.«
Stamm warf einen Blick auf die Tafel. »Szegediner Gulasch? Warum
nicht? Gibt Energie bei der Kälte.« Als die Kellnerin mit seinem Alt kam,
bestellten sie.
»Also, was ist los?«, fragte Stamm, als sie gegangen war.
»Ein Hauch von Ärger liegt in der Luft.«
Stamm wartete ein paar Sekunden, dann fragte er: »Geht’s einen Tick
genauer?«
»Ich hab gestern Abend mit Corinna gesprochen. Sie wirkte nervös.«
»Wieso?«, fragte Stamm mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Sie wollte nicht recht mit der
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