Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
andere Wahl haben. Gehen wir!«
»Ich geh als Erster raus und lenke seine Aufmerksamkeit auf mich«, entschied Orel sofort.
Kurz hatte ich das Bedürfnis, ihm zu widersprechen, doch das ignorierte ich hemmungslos. Ich wollte mich hier ganz bestimmt nicht auf einen Machtkampf mit dem alten Mann einlassen und zur Belohnung dafür draufgehen. Wenn der berühmteste Revolverheld der Welt unbedingt die Vorhut übernehmen wollte, bitte schön.
Orel blinzelte mir zu – was mich ein wenig aus der Fassung brachte –, dann stieß er die Tür auf und sprang ins Freie, rollte sich am Boden ab und brachte sich in Sicherheit, als auch schon zahllose Geschosse Fragmente aus dem Straßenbelag herausrissen. Sofort folgte ich Orel, lief jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Fast lautlos schloss sich hinter mir die Tür. Ich rannte bis zur nächsten Ecke und presste mich gegen die Wand; dabei ging mir nur eines durch den Kopf: Also, falls dieses gottverdammte Fossil mir nicht in der Hand explodiert, wenn ich abdrücke, dann bin ich hier im Vorteil.
»Mr Gates, Sie haben sich ja verdoppelt!«, rief Dawson. Seine Stimme klang genau so wie die eines jeden anderen Mönchs, den zu hören ich bislang das Pech gehabt hatte. »Ich wusste gar nicht, dass Sie genug zusammengespart haben, um sich einen illegalen Klon zuzulegen. Aber Sie haben etwas vergessen: Ich habe die Religion auf meiner Seite, und diese Religion verrät mir, dass der erste Mann, der dort durch die Tür gekommen ist, den Namen ›Cainnic Orel‹ nutzt. Männlich, geboren in Philadelphia, siebenundfünfzig Jahre alt. Bist du das, Canny? Ich bezweifle das ja, schließlich bin ich mir ziemlich sicher, dass Cainnic vor ungefähr sechs Jahren bei der Mogadischu-Operation in Stücke gerissen wurde, aber seinen Leichnam hat man nie gefunden, nicht wahr? Wir hatten immer angenommen, das liege nur daran, dass wir nicht allzu viel übriggelassen haben, was man hätte Finden können, aber vielleicht bist du ja einfach von den Toten auferstanden. Du befindest dich auf zahlreichen Fahndungslisten immer noch ziemlich weit oben …«
Ich wagte einen Blick um die Ecke und wurde mit einer Explosion umherfliegender Steinsplitter belohnt; drei Geschosse schlugen nur wenige Zentimeter neben meinem Gesicht ein; ich zuckte zurück, meine Wangen schmerzten. Einen Augenblick lang saß ich nur dort und dachte darüber nach, wie irgendetwas so rasch reagieren konnte – ein Wesen, für das Schatten und Regen und meine eigene Erfahrung schlichtweg bedeutungslos waren.
»Jetzt liegen die Dinge anders, Gates! Ich habe jetzt eine Klimaanlage und eine Panzerung! Ich bin Teil eines Netzwerks und habe Verstärkung! Weißt du, was du mir angetan hast? Du hast mich umgebracht! Ich kann mich daran erinnern – ich erinnere mich, wie es war, zu sterben. Weißt du, wie das ist, ein System-Cop zu sein, der seine Dienstmarke verloren hat? Ich hatte nur noch ein paar Tage zu leben. Die haben sich regelrecht in eine Warteschlange gestellt, um mich umzubringen, um mich zu foltern. Ich hatte überhaupt nichts mehr! Und dann will dieser grinsende kleine Roboter mit worüber die Erlösung reden? Ich dachte, es könnte vielleicht Spaß machen, dem den kleinen Schädel abzuschrauben und nachzusehen, was da drinnen ist, und wissen Sie, was dieses kleine Scheißding gemacht hat, Mr Cates? Es hat mir in die Eier geschossen!«
Ich musste ganz genau wissen, wo dieser Dreckskerl sich befand. Ich dachte gerade darüber nach, noch einmal um die Ecke zu schauen, als ich über meinen Ohrstöpsel Kieths Stimme hörte.
»Rechts von Ihnen, Mr Cates, genau vor dem Gebäude auf der anderen Seite, in den Schatten«, sagte er und schaltete wieder ab.
Ich schloss die Augen und prägte mir diese Position genau ein.
»Wissen Sie was?«, sprach Dawson weiter. »Ich bin …« Er stockte, dann krachten vier weitere Schüsse in rascher Folge. Danach hörte ich etwas anderes – ich glaubte, Orel ganz in der Nähe fluchen zu hören. »Ich bin froh darüber, dass Sie für meinen Rauswurf aus dem Dienst gesorgt haben. Froh! Ich bin froh darüber, dass diese Scheißmaschine mir in die gottverdammten Eier geschossen und mich auf offener Straße blutüberströmt hat liegen lassen. Ich bin froh darüber, dass die meine Schmerzensschreie ignoriert und mich in einen Schweber gezerrt haben, und ich bin froh darüber, dass die mir bei lebendigem Leib den Schädel abgesägt haben!«
Ein Schauer lief mir über den Rücken, und wieder hörte ich
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