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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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schlenderte in die Montagehalle, in der Hand noch eine zweite Tablette und eine Tasse mit schmutzigem Leitungswasser.
    Vor Bruder West blieb ich stehen; reglos stand der Cyborg dort. Ich fragte mich, was er wohl denken mochte, wenn er sich in Stasis befand. Ob er wohl versuchte, mit reiner Willenskraft Selbstmord zu begehen, oder ob er nur schweigend sein Schicksal beklagte. Ich hatte immer noch seine ruhige, digitalisierte Stimme im Ohr: Tötet mich … das ist mein einziger Wunsch. Zusammengesunken saß Gatz vor dem Mönch und blickte ihn unverwandt an. Ich sprach Kev nicht an. Ich wusste wirklich nicht, was ich hätte sagen sollen.
    Dann wandte ich mich Marilyn Harper zu. Sie wirkte erschöpft und eingefallen; ihre Hände und ihre nackten Füße waren ganz weiß und eiskalt, so sehr schnürten die Fesseln ihre Durchblutung ab. Ich kniete mich vor sie und stellte die Tasse auf den Boden. Einen Augenblick lang schaute ich die Frau nur nachdenklich an, und mit ihren tränenden Augen starrte sie trotzig zu mir empor. Dann beugte ich mich vor, griff nach einer Ecke des schwarzen Klebebands und riss es mit einer einzigen, ruckartigen Bewegung ab. Sofort presste ich meine Hand auf ihre wunden Lippen, um jeglichen Schrei zu ersticken.
    »Geredet wird nicht«, sagte ich, während sie sich zusammenkrampfte und vor meiner Hand zurückzuweichen versuchte. »Harper? Ms Harper, schauen Sie mich an. Schauen Sie mich an!«
    Sie beruhigte sich ein wenig und starrte mich an; wieder bebten ihre Nasenflügel. Drohend wedelte ich mit einem Finger vor ihr hin und her. »Geredet wird nicht, okay? Wenn Sie auch nur ein einziges Wort sagen, werde ich dafür sorgen, dass Sie lange, lange Zeit überhaupt nicht mehr reden können. Haben wir uns verstanden?«
    Kaum merklich nickte sie. Ich nahm die Hand von ihrem Mund. Das Klebeband hatte ein äußerst unschönes rotes Rechteck rings um ihren Mund hinterlassen. Schwer atmete Harper durch die Nase; in ihrem Blick lagen Zorn und Entsetzen gleichermaßen. Ich zeigte ihr die Nährstofftablette. »Frühstück. Sie müssen völlig ausgehungert sein. Das ist kein Gift, und es enthält auch keine Drogen. Wenn Sie das Ding nicht wollen, schütteln Sie einfach nur den Kopf. Aber ich bezweifle, dass noch irgendjemand anderes Ihnen etwas bringen wird.«
    Sie starrte mich an.
    »Hören sie, wenn ich Sie hätte vergewaltigen wollen, hätte ich das längst gemacht. Sie stören hier doch bloß. Wir würden Sie viel lieber einfach laufen lassen, und in einem oder zwei Tagen werden wir das auch tun. Also brauchen Sie jetzt nichts zu essen, wenn Sie nicht wollen. Mir ist es gleich. Ich lasse Ihnen jetzt fünf Sekunden Zeit, sich zu entscheiden.«
    Dort hockte ich und starrte sie an. Im Kopf zählte ich bis fünf, dann hielt ich ihr die Tablette entgegen. Sie öffnete den Mund, und ich schob ihr die Tablette ohne viel Federlesens zwischen die Lippen. Sie schluckte sie einfach herunter. Dann griff ich nach der Tasse mit dem Wasser.
    »W …«, setzte sie schon an, doch sofort zuckte meine Hand vor.
    »Geredet wird nicht, erinnern Sie sich? Nicken Sie, wenn Sie mich verstanden haben.«
    Sie nickte. Ich nahm die Hand von ihrem Mund. Dann hielt ich ihr die Tasse an die Lippen.
    »Sie können drei Tage auch ohne Wasser überstehen, Ms Harper«, erklärte ich. »Aber ich würde es Ihnen nicht raten. Das Zeug ist wirklich widerlich, vor allem für jemanden, der nur gefiltertes Wasser gewohnt ist. Ich würde es aber trotzdem trinken, weil wir alle ziemlich bald aufbrechen werden, also werden Sie eine ganze Zeit lang alleine sein. Ich bezweifle, dass irgendjemand sonst Ihnen helfen wird.«
    Erneut hielt ich ihr die Tasse an die Lippen und schüttete vorsichtig. Es lief zwar mehr an ihren Mundwinkeln vorbei als sie tatsächlich in den Mund bekam, doch das wenige, das sie bekam, schluckte sie gierig. Als die Tasse leer war, lag Mr Harper keuchend auf dem Rücken und leckte sich die letzten Tropfen von den Lippen. Ich nickte.
    »Okay. So überleben Sie ein bisschen länger.« Ich stand auf.
    »Warten Sie!«, krächzte sie; ihre tiefe Stimme klang erschreckend rau. Ruckartig wirbelte ich zu ihr herum und hob den Arm zum Schlag, und sofort wich sie vor mir zurück, so weit sie nur konnte, und riss voller Entsetzen die Augen auf.
    »Entschuldigung! Entschuldigung!«
    Ich stand dort, zum Schlag bereit, doch ich tat nichts. Stattdessen blickte ich nur auf sie hinab, und dann kniete ich mir wieder vor sie und beugte mich zu ihr

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