Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
schlachte ihn aus, Ty! Nimm dir, was immer du brauchst!«
»Hey, Avery«, sagte Gatz zwischen zwei gequälten Atemzügen. »Die kommen näher, was?«
Ich hielt inne und lauschte. Kieth wollte gerade irgendetwas über die Tür sagen, also streckte ich erneut die Hand aus und legte sie ihm fest auf die Lippen.
Die Schreie und Schüsse kamen wirklich näher. Und zwar rasch.
»Was zum …«
Bevor ich den Satz beenden konnte, kam plötzlich Canny Orel um die Ecke; er rannte, so schnell er konnte, in jeder Hand eine blitzende Waffe. Nur Sekunden später tauchte auch eine der Zwillingsschwestern auf. Orel wirkte jetzt doch etwas ungepflegter als sonst: Sein Haar war zerzaust, sein Mantel zerrissen, und auf einer Seite seines Hemdes war ein großer, dunkler Fleck zu erkennen.
»Also, Mr Gates, ich hoffe, Sie sind nicht weiterhin auf das Ablenkungsmanöver angewiesen«, sagte er und kam schlitternd vor mir zum Stehen. »Wir haben unser Bestes getan, aber jetzt ist uns eine gewaltige Anzahl dieser infernalischen Maschinen dicht auf den Fersen.«
Obwohl er so wüst aussah, war er kein bisschen außer Atem; warf er seelenruhig die gebrauchten Magazine aus und lud nach.
»Ms Milton«, setzte er beiläufig hinzu, »hat das Gefecht nicht überlebt.«
»Gottverdammt!«, fluchte ich. »Wie …«
»Keine Zeit!«
Als hätten sie das jahrelang geübt, ging Tanner vor Orel auf die Knie, und dann eröffneten sie gleichzeitig das Feuer auf die drei Mönche, die um die Ecke kamen. Die Mönche gingen zu Boden, einer, zwei, drei – immer ein sauberer Kopfschuss von Canny, der seine Waffe mit der Präzision eines Chirurgenskalpells bewegte: Peng! Eine Winzigkeit nach rechts – Peng! Eine Winzigkeit nach links – Peng! Unwillkürlich bewunderte ich, was ich dort sah.
Einen Moment lang herrschte völlige Stille, abgesehen vom Latex-Laut von Dawsons geschmolzenem Lachen. Canny drehte den Kopf ein wenig zur Seite und blickte mich kurz an.
»Bloß nicht entspannen«, riet er mir und zwinkerte kurz. »Es kommen noch mehr. Mr Kieth«, setzte er dann lauter hinzu. »Ich erlasse Ihnen Ihre Schulden.«
»Warum zum Teufel seid ihr hierhergekommen?«, wollte ich wissen. Ich war schon bereit, das Ganze einfach über mich hereinbrechen zu lassen, diese gewaltige, unvorstellbare Welle -einfach nur die Augen schließen und sich davon ersticken lassen –, doch Canny Orel ging mir furchtbar auf die wenigen Nerven, die mir noch verblieben waren, und ich wollte ganz gewiss nicht zulassen, dass er hier einfach tat, wonach ihm der Sinn stand. Dies war mein Job! »Ihr solltet doch die gottverdammte Ablenkung darstellen!«
»Wir hatten keine andere Wahl, Mr Cates!«, fauchte Orel zurück, den Blick auf die Kreuzung und die drei zu Boden gestürzten Mönche gerichtet. »Die haben uns verdammt noch mal hierher getrieben!«
»Das ist wahr«, sagte Tanner; ihre brüchige Stimme zitterte. Ich blickte sie scharf an und bemerkte erst jetzt, dass ihr Gesicht vor all den Emotionen, die sie verspüren musste, zu einer unbewegten Maske verzerrt war. Ihr Körper war starr und zitterte, als hätte sie den Tod ihrer Zwillingsschwester selbst körperlich gespürt. »Wohin wir uns auch gewandt haben, sie haben uns immer zurückgetrieben – außer in dieser einen Richtung. Sie sind immer weiter auf uns eingestürmt, und wir haben Dutzende von diesen Scheiß-Blechköpfen erledigt, aber sobald wir uns in die richtige Richtung zurückzogen, haben Sie von uns abgelassen, Cates!«
Zwei Mönche huschten über die Kreuzung hinweg, fast wie Insekten. Orel und Tanner zielten auf sie, feuerten Kugeln ab, doch sie verfehlten ihre Ziele, und die Mönche verschwanden auf der anderen Seite des Gangs.
Zorn packte mich. Meine Hände zuckten unkontrolliert, wollten sich von ganz allein zu Fäusten ballen; es erforderte meine ganze Konzentration, jetzt nicht einfach eine Kugel in den Boden zu feuern und meine Hände wieder dazu zu bringen, mir zu gehorchen. Am liebsten hätte ich Orel an Ort und Stelle erwürgt, so ruhig stand er da, so sachlich wirkte er-wahrscheinlich war er der Einzige von uns, der tatsächlich eine Chance hatte, sich seinen Weg ins Freie zu erkämpfen. Ich hasste ihn dafür, dass er so fähig war, ich hasste ihn dafür, dass er besser war als ich, zäher als ich. Wenn ich in diesem Scheiß-Grab hier sterben musste, dann sollte das ganz allein meine Entscheidung sein. Ich hatte schon viel zu lange nach Marins Pfeife getanzt, und nach Mojes, und nach wie
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