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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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aufsetzen konnte; das Blut troff mir vom Kinn auf Happlings Mantel. Hense stellte sich zwischen uns. Ich spürte ihren Zorn, doch sie hatte sich gänzlich im Griff, war völlig beherrscht und ruhig, und ihre toten Augen waren kalt wie immer. Es gefiel mir gar nicht, diese Augen sehen zu müssen. Immer wenn ich sie anschaute, musste ich an alle Cops denken, die ich schon umgebracht hatte. Ich wandte mich ab und blickte zu Marko hinüber, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ich schenkte ihm mein blutrünstigstes Grinsen, und er wandte den Blick ab, als finde er den Fußboden plötzlich schrecklich interessant. Mit jedem Pulsschlag schmerzte mein ganzer Mund. Dieser neue Schmerz war frischer als alles andere.
    »Brechen wir auf!«, sagte der Colonel.
    Wir brachen auf. Schweigend ließen wir die beiden allmählich erkaltenden Cop-Leichen hinter uns und schlüpften auf die Straße hinaus. Diese war fast menschenleer, nur hier und dort standen kleine Einheiten der Sturmtruppen. Ab und zu sprach ein Officer scheinbar ins Leere und lauschte dann, die Dienstmarke in der Hand, auf das, was ihn über den kleinen Ohrstecker erreichte. Ein wenig weiter entfernt rannten zwei Zivilisten um ihr Leben. Während wir kurz innehielten, wie betäubt von dem grauen Licht und den dicken gelben Schneeflocken, die rings um uns lautlos zu Boden fielen, rannte eine gut gekleidete Frau geradewegs auf Happling zu, prallte gegen ihn, landete heftig auf ihrem Hintern und starrte zu uns auf. Natürlich war die Frau sehr hübsch, eine Blondine in einem leuchtend roten Mantel, der sehr teuer aussah. Ihr Gesicht war übertrieben ebenmäßig und ausdruckslos, wie das nun einmal bei allen der Fall war, die ihre gesamten Gesichtszüge halten umgestalten lassen – ein reiches verzogenes Mädchen, unzufrieden mit dem Gesicht, das das Universum ihr von sich aus geschenkt hatte.
    Einen Augenblick später kamen rings um sie drei Sturmtruppler schlitternd zum Halten, blickten sie kurz an, packten sie dann unsanft an den Armen und rissen sie wieder auf die Beine. Hense und Happling stand das Wort ›Cop‹ geradewegs auf die Stirn geschrieben, und ich vermutete, dass das den Sturmtruppen voll und ganz ausreichte, schließlich hatten die ihr ganzes Leben damit verbracht, sich von Officers regelmäßig heftig in die Eier treten zu lassen.
    »Es tut mir leid, Ma’am«, drang es summend aus dem Helmlautsprecher eines der Sturmtruppler. »Es herrscht Notstands-Ausgangssperre.«
    Ohne ein weiteres Wort schleppten sie die Frau fort. Mit ihrem ausdruckslosen Gesicht starrte sie weiter zu uns herüber, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwand. Dort schien, so klang es zumindest, ein Schweber bereits zu warten. In seinem Frachtraum wurden jetzt wohl sämtliche Bürger eingesammelt, die zu langsam oder zu zögerlich die Straßen verlassen hatten.
    Hense brach nach Osten auf, stapfte die Straße hinab und klemmte sich währenddessen ihre schimmernd-goldene Dienstmarke an den Mantel. »Halten Sie den Kopf unten!« flüsterte sie mir angespannt zu. »Und widerstehen Sie … dem Drang, … etwas zu sagen!«
    Mein ganzer Körper schien nur aus pulsierendem Schmerz zu bestehen; und der Rhythmus dieses Pulsierens hatte etwas Hypnotisches. Bei jedem Herzschlag durchzuckte gedämpfter, diffuser Schmerz jeden einzelnen meiner Nerven, und während wir weitergingen, passte ich mein Tempo so an, dass jeder Herzschlag auf einen Schritt mit dem rechten Bein fiel. Dabei stellte ich mir vor, dass meine gesamte rechte Gesichtshälfte bei jedem Schritt erst anschwoll und sich dann wieder senkte. Die menschenleeren Straßen wirkten zutiefst unheimlich. Überall lag Müll, alles Mögliche – Papierfetzen, Plastikbecher, ein einzelner schwarzer Schuh, der gut zu einem Abendkleid gepasst hätte. Es sah so aus, als habe es einiges an Ärger gegeben, als der SSD den Notstand ausgerufen und die Räumung der Straßen angeordnet hatte. Hense legte ein beachtliches Tempo vor, und ich musste mich sehr anstrengen, mit ihr Schritt zu halten. Ich hatte seit langem nichts mehr gegessen, und die ganze Zeit ohne Nahrung hatte ich damit verbracht, die neuesten Verhörmethoden der System-Bullen kennen zu lernen. Dabei hatten sich diese neuesten Methoden allerdings als genau die Gleichen wie die alten erwiesen – nur dass sie mit noch etwas mehr Enthusiasmus umgesetzt wurden.
    Drohend erhob sich die Gebäuderuine direkt am Fluss über uns. Riesige Löcher klafften in der einst vielleicht

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