Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
Vom Netzwerk:
Kayley hier zum ersten Mal einen Fisch angelte?“
    „Warum tust du das?“ Sie sah ihn an. Trotz der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht erkennen. „Natürlich erinnere ich mich daran. Ich erinnere mich an alles. Ich erinnere mich an mehr, als mir lieb ist. Ich erinnere mich daran, dass ich ihr erlaubt habe, alleine bis zur Ecke zu gehen, obwohl ich es nicht hätte tun sollen. Ich erinnere mich an das Quietschen der Bremsen, als ich einige Minuten später hinter ihr hereilte. Ich erinnere mich daran, dass jemand – eine Frau, glaube ich – schrie. Und als ich ankam, als ich endlich dort war, erinnere ich mich, dass Robert Owens, dieses Tier, aus seinem Wagen stolperte, auf unsere leblose Tochter hinabsah und sie beschuldigte, mein hübsches kleines Mädchen beschuldigte, es zu wagen, dort auf dem Bürgersteig zu warten, als er nach Hause fahren wollte, obwohl er so betrunken war, dass er nicht sehen konnte, was eine Armeslänge vor ihm auf der Straße war!“
    Mack stand bloß schweigend neben ihr, als sie um Fassung rang, als wisse er, wie sehr sie es hasste, wenn er sie jetzt in seinen Arm nehmen würde, um sie zu trösten.
    „Du gibst dir immer noch die Schuld dafür, nicht?“
    Sie atmete tief ein, bevor sie sich wieder traute zu sprechen.„Es gibt eine lange Liste mit Menschen, denen ich die Schuld gebe. Und ich gehöre dazu.“
    „Ich gebe mir auch die Schuld.“ Das war keine Frage. „Ich hätte bei ihr sein sollen. Es wäre dann alles anders abgelaufen. Als Owens von der Straße abkam, hätten wir nicht dort gestanden. Und wenn, dann hätte ich sie in Sicherheit bringen können.“
    „Nein.“ Tessa drehte sich um und sah auf das, was früher mal der Teich gewesen war. „Dir gebe ich nicht mehr die Schuld, Mack, das war früher einmal. Ich weiß, ich habe es zu Beginn getan. Aber du kannst nichts für Kayleys Tod. Du hattest allen Grund zu glauben, ich würde sie wohlbehalten zur Schule bringen. Du hättest niemals dein Versprechen gebrochen, sie zu begleiten, wenn du es nicht hättest vermeiden können.“
    „Aber bei dir war sie in Sicherheit. Und ich hätte sie auch allein bis zur Ecke gehen lassen, genau wie du. Sie hatte es ja auch schon vorher allein getan. Wir konnten ihr vertrauen. Ich gebe dir nicht die Schuld daran, was passiert ist. Vielleicht zu Anfang, als ich etwas oder jemanden suchte, den ich dafür verantwortlich machen konnte. Aber keiner von uns ist für ihren Tod verantwortlich. Du warst eine wundervolle Mutter. Robert Owens und all die Leute, die ihn nicht daran gehindert haben, an dem Morgen hinter das Lenkrad seines Wagens zu steigen, die haben sie getötet.“
    Sie wünschte sich, seine Absolution würde helfen, aber das tat sie nicht. Nichts konnte Kayley zurückbringen.
    Jetzt berührte er sie. Er streckte den Arm nach ihr aus und legte seine Hand in ihren Nacken, übte leichten Druck aus. Seine Hand war groß und warm, und er schien genau zu wissen, was er tun musste, damit sie sich besser fühlte.
    Wenn sie sich liebten, war es immer genauso gewesen. Von Anfang an waren ihre Körper so miteinander im Einklanggewesen, dass sie kaum einander um Hilfestellung bitten mussten. Seine Berührung erinnerte sie daran, wie lange das schon her war.
    „Du hast nie wirklich verstanden, warum es für mich so wichtig ist, dass Leute wie Owens das bekommen, was sie verdienen“, sagte sie.
    „Natürlich weiß ich, was du meinst.“
    „Daran haben wir beide geglaubt, von vornherein, als wir uns begegnet sind. Wir beide wollten die Welt retten.“
    „Ich versuche immer noch, die Welt zu retten. Du kennst die Art Fälle, die ich in meiner Kanzlei annehme.“
    Sie wusste, worüber er sprach. Mack arbeitete im Sinne der Gerechtigkeit, wann immer sich die Gelegenheit bot. Abgesehen von seiner Wahl der Klienten, die sich sonst an niemanden mehr wenden konnten, war er Mitglied in diversen Vorständen von Organisationen, die sich für soziale Härtefälle einsetzten. Sein Einkommen war geringer als nötig, weil viele seiner Klienten kein Geld hatten, um ihn zu bezahlen. Aber Tessa hatte ihn immer dabei unterstützt. Das Geld war ihnen gleichgültig.
    „Wenn du verstehst, worum es mir geht“, sagte sie, „warum beschwerst du dich dann darüber, dass ich so viel Zeit bei ‚Mütter gegen Alkohol am Steuer‘ verbringe? Siehst du nicht, was Kayleys Tod mit uns angerichtet hat? Früher waren wir eine Familie, die alles hatte, jetzt sind wir nur zwei Menschen, die kaum noch ein Gespräch

Weitere Kostenlose Bücher