Sommer der Liebe
und er lächelte sie an. Sian wandte schnell den Kopf ab.
Ihr war plötzlich furchtbar schlecht. Sie räusperte sich und wischte sich über die Stirn. Die Teile des Puzzles schienen herumzuwirbeln und endlich an den richtigen Platz zu rutschen. Fionas ausweichende Antworten, als Sian angerufen und nach Gus gefragt hatte; die Tatsache, dass er kaum mit ihr gesprochen hatte; der Verdacht, dass sie bei ihrem Anruf Melissa im Hintergrund hatte lachen hören. Das ergab nun alles einen Sinn. Gus war mit Melissa zusammen. Das zwischen ihr, Sian, und ihm war nur Sex gewesen – fantastischer Sex, aber offensichtlich nicht mehr. Für ihn jedenfalls nicht.
»Geht es dir gut, Sian? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
Sian schüttelte schnell den Kopf. »Nein, alles in Ordnung. Mir war nur … nur ein bisschen komisch.« Und mit einem kurzen Blick zurück zu der Tür, durch die die beiden so fröhlich verschwunden waren, stieg sie in den Van. Die Freude, die sie gerade noch empfunden hatte, war mit einem Schlag verflogen.
21
»Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, erkundigte sich Jody, als sie Sian und Rory vor ihrem Haus absetzte. »Du siehst immer noch blass aus.«
»Ich glaube, mir liegt nur die Pizza etwas schwer im Magen. Ich vergesse immer, dass ich Jalapeños nicht so gut vertrage. Ich mag sie …«
»Aber sie mögen dich nicht«, sagte Jody, »wie unsere Großmütter es ausgedrückt hätten.«
Sian gelang es zu lachen. »Ich nehme etwas gegen die Übelkeit, wenn Rory im Bett liegt.«
Nach dem Zähneputzen und einer Geschichte schlief Rory schnell ein. Sian ging nach unten und stellte den Fernseher an, doch die Sendung rauschte an ihr vorbei. Sian konnte sich nicht konzentrieren, konnte nicht einmal arbeiten, etwas, das sie sonst immer von ihren größten Problemen abgelenkt hatte. Deshalb gab sie es am Ende auf und ging ins Bett, doch die Bilder von Gus und Melissa verfolgten sie noch im Schlaf.
Am Morgen, nachdem sie Rory zur Schule gebracht hatte, ging sie sofort nach Hause und griff zum Telefon. Sie konnte nicht mehr darauf warten, dass Gus sich bei ihr meldete; sie brauchte Gewissheit. Sie würde mutig sein, Melissa anrufen und sie durch die Blume danach fragen, wie Gus und sie zueinander standen.
»Melissa! Hi! Hier ist Sian.«
»Hallo Sian!«, sagte Melissa nach einem kurzen Zögern, das so lang war, dass Sian sich fragte, ob Gus vielleicht bei ihr war.
»Hi«, wiederholte sie, »tut mir leid, dass ich so früh anrufe, aber ich wollte mich noch mal wegen der Termine vergewissern. Wann, sagtest du, kommt der Architekt ein zweites Mal?«
»Der Architekt? Ach, Phil! Tut mir leid, ich wusste für einen Moment gar nicht, wen du meinst. Ich sehe schnell in meinem Terminkalender nach.«
Sian lauschte auf Geflüster, während Melissa ihren Kalender zurate zog, doch es blieb alles still. Sie schob das Bild von Gus beiseite, der im Bett darauf wartete, dass Melissa zurückkam.
Nachdem sie Sian das Datum genannt hatte, sagte Melissa: »Tut mir leid, dass ich so verdreht bin. Ich war gestern Abend aus und habe viel zu viele Mojitos getrunken.«
Sie spielt mir in die Hände, dachte Sina. »Ja. Ich glaube, ich habe dich gesehen, wie du ins Boca Loca gegangen bist.«
»Hast du?« Melissa klang peinlich berührt.
»Ja. Wie war’s denn?«
»Was?« Jetzt klang sie fast panisch.
»Die Cocktailbar?«
»Oh, schön! Du solltest unbedingt mal hingehen. Wirklich nett. Da arbeiten ein paar süße Typen. Sie jonglieren mit den Flaschen, dass man nur staunen kann.«
»Cool!« Sian imitierte Melissas mädchenhaften Tonfall. »Und war Gus bei dir?«
»Angus? Äh … ja. Wir hatten einen schönen Abend. Er ist so lustig.«
»Ja, das kann er sein, nicht wahr?« Dieses Mal fiel es Sian schwer, ihre Stimme nicht sarkastisch klingen zu lassen. Als sie es bemerkte, beschloss sie, das Gespräch besser zu beenden, auch wenn sie die alles entscheidende Frage, um die es ihr ging, noch nicht gestellt hatte. Eigentlich hatte Melissa ja alles gesagt. »Ich muss jetzt Schluss machen. Ich habe noch sooo viel zu tun!«
Das stimmte, aber Sian konnte sich nicht richtig aufs Malen konzentrieren. Weil sie fand, dass sie eine Beschäftigung brauchte, schrieb sie schließlich eine Mail an Richard.
Sian hatte seinetwegen ein schrecklich schlechtes Gewissen. Nach dem Wochenende mit Gus hatte sie ihm eigentlich schonend, aber bestimmt schreiben wollen, dass er nichts von ihr erwarten konnte außer Freundschaft. Doch
Weitere Kostenlose Bücher