Sommer der Liebe
offensichtlich.
Wahrscheinlich war es ein bisschen leichtsinnig, doch Fiona erzählte ihrer jungen Freundin diesmal nichts von ihren Plänen. Dafür gab es mehrere Gründe. Erstens wusste sie, dass Sians Mutter zu Besuch kam, und wollte die drei nicht stören, und zweitens traf sie sich mit Evan in einem Gartencenter. Was konnte da schon schiefgehen? Eigentlich hätte sie sich einen glamouröseren Treffpunkt gewünscht, doch sie hatte in ihrem Profil ihre Liebe zu Pflanzen erwähnt. Vielleicht wollte Evan ihr damit einen Gefallen tun.
Sie fand die Adresse auf Anhieb. Es war einer dieser riesigen Läden auf dem Land, in dem es neben Pflanzen und Gartenmöbeln auch noch jede Menge anderer Sachen gab. Mit einem wehmütigen Seufzen dachte Fiona an die altmodischen Gärtnereien, in denen nur Pflanzen angeboten wurden. In vielen der großen Center waren jedoch gute Cafés untergebracht. Ein schönes Stück Kuchen würde ein enttäuschendes Treffen wieder wettmachen.
Evan saß wie verabredet an einem Tisch am Eingang des Cafés und stand auf, als Fiona sich näherte. Anders als auf dem Foto hatte er einen silbernen Bart.
»Fiona, meine Liebe«, begann Evan, nahm ihre Hand und küsste sie.
Fiona wusste nicht, ob sie entzückt oder entsetzt war. War er nur herrlich altmodisch oder widerlich anbiedernd? Zweifellos würde sie das bald herausfinden.
»Und jetzt setzen Sie sich, meine Liebe, und lassen Sie uns einen Kaffee trinken! Oder hätten Sie lieber Tee? Oder heiße Schokolade?«
Fiona nahm Platz und spürte Enttäuschung in sich aufsteigen. Sie wusste schon jetzt, dass sie nach ein paar Sekunden gelangweilt sein würde. Es war reine Zeitverschwendung gewesen herzukommen. Warum sie Evan für gut aussehend gehalten hatte, war ihr jetzt ein Rätsel. Er sah nicht mal ansatzweise gut aus. Neben ihm wirkte Robert regelrecht dynamisch!
»So, meine Liebe, erzählen Sie mir von Ihrem Garten! Mein eigenes Paradies ist nicht gerade groß, aber auch nicht klein.« Er lachte hoch und gekünstelt, was Fiona zusammenzucken ließ. Auch sein ständiges »meine Liebe« fing an, sie zu nerven. Evan beschrieb ihr jedes Beet, jede Begrenzung, jeden Springbrunnen (es gab offenbar mehrere, mit Engeln, Tauben und Windmühlen). Die Beete waren mit Muschelschalen eingefasst (Jakobsmuscheln, »von einem Fischhändler, meine Liebe«), Windspiele und ein wirklich hübsches »Arrangement« (französisch ausgesprochen) von Waldwesen, die so lebensecht wirkten, dass sogar die Eichhörnchen verwirrt waren. Offenbar sorgten die per Fernbedienung steuerbaren Elfen für besondere Konfusion.
Zuerst hatte die Beschreibung Fiona auf eine abstoßende Weise fasziniert – sie hatte eine heimliche Leidenschaft für Kitsch –, aber schließlich beschloss sie, dass das Leben zu kurz war und dass sie sich entschuldigen und in ihren Garten zurückkehren sollte. Sich mit ihren eigenen Pflanzen zu befassen war lustiger, als Evans Beschreibungen zu lauschen, wie er die Entengrütze Pflänzchen für Pflänzchen aus seinem Teich entfernt hatte.
Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass er sie abwartend ansah. Er hatte ihr offensichtlich eine Frage gestellt. Mist.
»Tut mir leid, ich war ein bisschen abgelenkt. Könnten Sie das noch mal wiederholen?«
»Ich habe vorgeschlagen«, sagte Evan sichtlich verletzt, »in eine kleine Gärtnerei zu fahren, die ich gut kenne, wo es einige besondere Pflanzen gibt, die nicht überall erhältlich sind.«
Fiona öffnete den Mund, um abzulehnen und sich zu verabschieden. Zu einer besonderen Gärtnerei zu fahren war für sie zwar so wie für andere der Besuch eines Designer-Outlet-Centers, in dem es alles zum halben Preis gab, doch der Gedanke, noch mehr ihrer kostbaren Lebensstunden mit diesem Mann zu verbringen, war ihr unerträglich. Bevor sie jedoch die richtigen Worte fand, legte er seine Hand auf ihre.
»Meine Liebe, bitte lehnen Sie nicht ab! Ich hasse es, allein zu diesen Läden zu fahren. Ich fühle mich dort so hilflos. Danach gehen wir etwas trinken, ich verspreche es. Ich kenne ein hübsches Lokal an einem schönen Ort.«
Fiona verfluchte ihr gutes Herz, doch sie wurde schwach. »Okay.« Sie stand auf, weil sie diese Tortur so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. »Wo liegt die Gärtnerei?«
»Nun, ich denke, es wäre besser, wenn Sie bei mir im Auto mitfahren. Ich kann Sie später hier wieder absetzen. Dort gibt es nicht viele Parkplätze, verstehen Sie. Die Gärtnerei liegt ein bisschen abgelegen.
Weitere Kostenlose Bücher