Sommer der Liebe
das? Etwas Schönes?«, fragte ihre Mutter, die Rory gerade mit einem feuchten Tuch die Finger abwischte.
»Ich glaube nicht.« Sian öffnete den Umschlag und las den Inhalt. »Nein. Es ist die Bestätigung, dass Luella das Haus verkauft hat. Sie will, dass ich bis Oktober ausgezogen bin. Ich könnte noch bis Dezember bleiben, aber sie bezahlt mir ein bisschen was, wenn ich früher gehe, und wer möchte schon an Weihnachten umziehen.« Sian ließ sich auf den Küchenstuhl sinken. Konnte der heutige Tag noch schlimmer werden?
»Das kommt jetzt aber plötzlich!«, sagte Penny und sah Sian besorgt an. Nachdem sie ihren Enkel zu ihrer Zufriedenheit gesäubert hatte, zerzauste sie ihm das Haar und zog den Stuhl für ihn zurück. »Rory, warum malst du mir nicht nebenan ein Bild, bis es Zeit für die Spielgruppe ist?«
Der Junge sah von seiner Großmutter zu Sian. »Ihr wollt reden, oder?«
»Ja. Und es ist ein sehr langweiliges Gespräch«, sagte Sian. »Mal ein schönes Bild, Schatz. Ich habe eine Idee: Mal eins von deinen Geburtstagstorten! Du könntest Fiona auch eins schenken, als Dankeschön.«
Inspiriert von dem Vorschlag, ging Rory ins Esszimmer, um nach seinen Stiften zu suchen.
Etwas später stellte Penny einen frischen Becher Tee vor Sian auf den Tisch. Sian hatte ihr kurz von ihren Gesprächen mit Gus und Richard erzählt.
Penny seufzte. »Warum kommst du mit Rory nicht für ein paar Tage zu uns? Dad würde sich freuen, euch zu sehen, und dann könntest du in Ruhe über eure Zukunft nachdenken.«
Plötzlich sehnte Sian sich danach heimzufahren – in das Haus, in dem sie aufgewachsen war. »Ich muss noch ein bisschen arbeiten und dann Fiona beim Aufräumen helfen«, sagte sie halbherzig und wartete darauf, dass ihre Mutter das als Ausrede abtun würde.
»Das kann ich übernehmen. Rory geht zur Spielgruppe, du arbeitest, und ich helfe Fiona. Ich mag sie sehr und bin sicher, dass es ihr nichts ausmacht, wenn ich ihr an deiner Stelle zur Hand gehe. Und danach, am Nachmittag, fahren wir zu uns nach Hause. Dein Auto kannst du stehen lassen und mit dem Zug zurückfahren, oder ich bringe dich.«
Sian war plötzlich den Tränen nahe. Sie war so froh, dass ihre Mutter da war! »Es sieht doch nicht so aus, als liefe ich weg, oder?«
»Vor was? Nein, es ist verständlich, dass du deine Eltern besuchen möchtest. Und wenn du bei uns bist, suchen wir im Internet nach einem neuen Haus in der Nähe. Und außerdem hat Mrs. Florence gesagt, dass der Tisch, den du für sie bemalt hast, ein bisschen ausgebessert werden muss. Ich glaube, das Bein ist etwas angeschlagen.«
»Dann kann ich sogar sagen, dass ich arbeiten muss! Oh Mum, danke!« Sie lief um den Tisch und umarmte ihre Mutter.
Sian brachte Rory in die Spielgruppe und spürte zum ersten Mal, seit Gus die Wahrheit über Rory kannte, einen Anflug von Hoffnung. Vielleicht würde am Ende doch alles gut werden. Und die Zeit bei ihren Eltern würde ihr helfen, sich über einige wichtige Fragen klar zu werden.
Rory schlief hinten im Auto, und Sian nutzte die Zeit zum Nachdenken. Ihre Mutter, die zu merken schien, was mit ihr los war, schwieg und bat nur hin und wieder um ein Pfefferminz.
Welche Entscheidung war die beste? Sollte sie Richard erlauben, ihre Probleme zu lösen, Rory ein guter Stiefvater und ihr eine Stütze zu sein? Bestimmt war er in dieser Rolle großartig. Er würde niemals den Hochzeitstag vergessen, er würde mit ihnen in guten Hotels an schönen Orten Urlaub machen, und sie würden nie den Flieger verpassen.
Wenn sie sich mit Gus auf mehr als eine Affäre einließ, dann würde sie auf tief verschneite Berge steigen, Rory würde frierend und stöhnend hinter ihnen herstapfen, und Gus würde von ihr erwarten, dass sie auf offenem Feuer kochte.
Und es war nicht nur das, es ging auch um Verlässlichkeit. Richard war problemlos in der Lage, sich zu binden. Er würde für sie und Rory da sein und sich für die Familie einsetzen.
Aber Gus? Wie standen die Chancen bei ihm? Wie lang war sein Atem, was Frauen anging? Schwer zu sagen. Bei ihrem Wiedersehen hatte er Interesse an ihr gehabt, doch jetzt war es Melissa, die ihm »eine große Stütze« war.
Doch so einfach war es nicht. Sie, Sian, war ihm keine große Stütze gewesen, im Gegenteil: Sie hatte ihm fünf Jahre verschwiegen, dass er Vater eines Sohnes war.
Dass sie für Richard nicht das empfinden konnte, was sie bei ihrer ersten Begegnung für Gus empfunden hatte, war nicht wirklich ein
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