Sommer der Liebe
war. Den Sohn, den sie in den letzten fünf Jahren ganz allein aufgezogen hatte – mit der Hilfe ihrer Eltern natürlich.
»Oh, nein, er will dich «, knurrte Gus. »Er nimmt Rory in Kauf, weil es der einzige Weg ist, um dich zu bekommen.«
»Das klingt, als wäre er ein schlechter Mensch!«
»Ich weiß genau, was für ein verdammter Heiliger Richard ist! Aber was immer er für Vorzüge hat, er ist nicht Rorys Vater!«
»Das weiß ich«, sagte sie leise und hoffte, dass Gus dann auch seine Stimme senken würde.
»Doch ich war der Letzte, der es erfahren hat, stimmt’s?«
»Rory weiß es noch nicht.«
»Aber du wirst es ihm sagen. Und zwar bald. Ich habe fünf Jahre seines Lebens verpasst, ich werde von nun an nichts mehr versäumen. Und ich werde mich nicht als ›Freund der Familie‹ abspeisen lassen!«
»Ich habe dir Rory nicht aus bösem Willen vorenthalten! Du warst nicht erreichbar – ich wusste, dass ich dich nicht würde erreichen können! Wir haben dieses Gespräch schon geführt – vor fast sechs Jahren.«
Sie war außer Atem, doch sie wollte Gus nicht bitten, langsamer zu gehen. So lief sie tapfer neben ihm her und tat ihr Bestes, um mit seinen weiten, wütenden Schritten mitzuhalten.
»Schön, du konntest mich nicht erreichen. Das weiß ich. Aber ich bin schockiert. Ich habe einen fünf Jahre alten Sohn! Und ich hätte das vielleicht nie erfahren, wenn das Schicksal dich nicht direkt neben mein Elternhaus verschlagen hätte!«
»Ich weiß. Für mich war das auch ein Schock, als der Mann, von dem ich geglaubt hatte, ich würde ihn nie wiedersehen, plötzlich auf einer Dinnerparty auf dem Land auftauchte. Mein Gott, ich war – ich bin – Fionas Freundin! Ich wusste nicht, dass du ihr Sohn bist. Warum glaubst du mir das denn nicht?«
Gus war nicht bereit, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. »Ja, aber du hattest Zeit, den Schock zu überwinden. Wenn meine Mutter dir kein Ultimatum gestellt hätte, dann hättest du es mir vielleicht nie erzählt.«
Sie antwortete nicht.
»Und du hast es mir ja auch gar nicht gesagt! Du hast es mich selbst herausfinden lassen!«
»Ich hätte es dir erzählt. Wenn Melissa nicht die Ähnlichkeit zwischen euch bemerkt und diese dumme Bemerkung gemacht hätte …«
»Gib nicht Melissa die Schuld. Sie war mir eine große Stütze!«
»Wie schön!« Sian spürte, wie jetzt auch in ihr Wut aufstieg.
»Und warum wolltest du nicht, dass ich von Rory erfahre?«, beharrte er.
»So war es nicht. Ich habe nur auf den richtigen Moment gewartet. Aber diesen Moment hätte es wohl niemals gegeben, das ist mir jetzt klar!«
»Willst du mir vorwerfen, dass ich wütend bin?«
»Nein! Doch ich wünschte, du würdest verstehen, wie schwer es für mich war, den richtigen Zeitpunkt zu finden.«
Gus antwortete nicht. Er schien sich ein wenig zu beruhigen. Vielleicht konnten sie jetzt wie zivilisierte Menschen miteinander reden.
»Ehrlich, ich habe etwas sehr Ähnliches durchgemacht. Als ich dich so unerwartet wiedersah, war ich auch geschockt.«
Noch war sein Zorn nicht erloschen. »Das kann man wohl kaum vergleichen! Du wusstest, dass ich Rorys Vater bin. Ich hingegen hatte keine Ahnung, dass ich einen Sohn habe.«
Sian blieb stehen und sah zu ihm auf. »Was willst du noch von mir hören? Ich kann nicht ständig sagen, dass es mir leidtut, auch wenn es wirklich so ist. Ich kann mich nicht mehr entschuldigen!«
Schweigend gingen sie weiter.
»Wir müssen darüber reden, wie oft ich Rory sehen kann.«
Sian blickte zu Boden und entdeckte zum ersten Mal die Narbe an seinem Bein. »Du meinst das Besuchsrecht?«
»Nein! Ich meine kein verdammtes Besuchsrecht! Das klingt, als wären wir geschieden und ich müsste jedes zweite Wochenende in irgendeinem verdammten Freizeitpark oder bei McDonald’ verbringen! Ich möchte meinen Sohn sehen und Zeit mit ihm verbringen. Und ich will, dass er weiß, dass ich sein Vater bin.«
»Ich werde es ihm sagen.«
»Wann? Wenn er achtzehn ist? Wenn er danach fragt? Ich möchte, dass er es jetzt erfährt!«
»Er ist erst fünf.«
»Das werde ich wohl kaum vergessen können.« Er zögerte. »Hör zu, ich mag Rory sehr, aber ich möchte ihn besser kennenlernen, als meinen Sohn.«
»Das wirst du. Obwohl es schwieriger werden könnte, wenn wir von hier wegziehen müssen.«
»Mach dir keine Sorgen wegen des Umzugs. Das kommt in Ordnung.«
Er spielte diese echte Bedrohung so herunter, dass Sian wieder wütend wurde. »Das wissen wir
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