Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Rom gebracht, wobei man sie in jeder größeren Stadt der Königreiche Aragon und Kastilien zur Schau stellte, wie sich erweisen sollte.
    Kalixtus' Triumphglocke traf am 7. August 1458 in Rom ein. Der achtzigjährige Papst konnte sie nicht mehr bewundern; er war in der Nacht zuvor in seinem verdunkelten Gemach gestorben.
    Duane suchte im Index und überflog den Rest des Buchs, aber Kalixtus' Glocke wurde nicht mehr erwähnt. Er unternahm einen raschen Ausflug zur Kartei und kam mit Notizen über Bücher zurück, in denen Rodrigo, der Neffe von Papst Kalixtus, erwähnt wurde.
    Über Rodrigo gab es eine Fülle von Informationen. Duane schrieb hastig und war froh, daß er mehrere seiner kleinen Notizbücher mitgebracht hatte.
    Der siebenundzwanzigjährige Kardinal Rodrigo Borgia war die treibende Kraft des folgenden Konklave von 1458 gewesen. Der jüngere Borgia, der selbst nicht einmal entfernt als Kandidat für die Papstwürde in Frage kam, beeinflußte die Wahl des nächsten Pon-tif ex auf kluge Weise, indem er Unterstützung für Bischof Aeneas Silvius Piccolo-mini mobilisierte, der von dem Konklave zum Papst Pius II. gewählt wurde. Pius vergaß die Hilfe des jungen Kardinals, als er sie am dringendsten brauchte, niemals, und der einstige Piccolomini stellte sicher, daß die kommenden Jahre fruchtbar für den jungen Rodrigo Borgia waren.
    Aber eine Glocke wurde nicht erwähnt. Duane überflog zwei Bücher im Schnelldurchlauf und blätterte in einem dritten, bis er den nächsten Hinweis fand.
    Es handelte sich um einen historischen Abriß, den Piccolomini selbst geschrieben hatte. Papst Pius II. schien der geborene Chronist gewesen zu sein, mehr Historiker als Theologe. Seine Aufzeichnungen über das Konklave von 1458 - Aufzeichnungen, die durch Vorschrift und Tradition verboten waren - zeigten in allen Einzelheiten auf, wie er Rodrigo Borgia gedrängt hatte, ihn zu unterstützen, und wie wichtig diese Unterstützung gewesen war. In einem Abschnitt über den Palmsonntag des Jahres 1462, vier Jahre später, beschrieb Pius eine prunkvolle Prozession zu Ehren der Ankunft des Kopfes des heiligen Andreas in Rom. Darüber mußte Duane lächeln; eine Feier für die Ankunft des Kopfes.
    Der Absatz war recht geschwätzig:
    Sämtliche Kardinäle, die an der Wegstrecke wohnten, hatten ihre Häuser prächtig geschmückt ... aber alle wurden an Aufwand, Anstrengung und Genialität von Vizekanzler Rodrigo übertroffen. Sein gewaltiges, überragendes Haus, welches er an der Stätte der alten Münze erbaut hatte, war mit kostbaren und wunderbaren Gobelins behängt, und darüber hinaus hatte er einen luftigen Baldachin errichtet, an welchem zahlreiche und bestaunenswerte Wunder angebracht waren. Über diesem Baldachin hing in einem Gerüst aus verzierten und dekorativen Holzbalken die große Glocke, welche der Bruder des Vizekanzlers, unser Vorgänger, in Auftrag gegeben hatte. Obschon noch vergleichsweise neu, behauptete man, diese Glocke wäre Talisman und Quelle der Macht des Hauses Borgia. Die Prozession verweilte vor der Festung des Vizekanzlers, einem Hort lieblicher Gesänge und Laute, oder ein großer, golden glänzender Palast, wie man es dem von Nero nachsagt. Rodrigo hatte nicht nur sein eigenes Haus für unsere Festlichkeit geschmückt, sondern auch die angrenzenden, wodurch der Platz ringsum eine Art Park voll der ausgelassensten Feierlichkeiten zu sein schien. Wir erboten uns, Rodrigos Heim und Boden und Glocke zu segnen, jedoch bestätigte der Vizekanzler, daß die Glocke vor zwei Jahren beim Bau des Palastes bereits auf ihre Weise geweiht worden sei. Versonnen schritten wir mit unserer unschätzbaren Reliquie weiter durch die andächtigen und feierlichen Straßen.
    Duane schüttelte den Kopf, schob die Brille höher und lächelte. Die Vorstellung, diese Glocke könnte vergessen im zugenagelten Dachgestühl von Old Central hängen, war unglaublich.
    Er überflog seine Notizen, ging zur Kartei, zog noch ein paar Bücher aus dem Regal und begab sich zu seiner Lesenische.
    Er fand noch mehr.
    Lager Drei lag auf einem Hügel eine Viertelmeile nordöstlich vom Friedhof. Der Wald war dort besonders dicht, an vielen Stellen reichten die Zweige bis anderthalb Meter über den Boden, und das Dickicht erschwerte das Vorankommen, abgesehen von wenigen Trampelpfaden, die Wild oder Jäger im Unterholz gebahnt hatten. Lager Drei sah aus jedwedem Blickwinkel wie ein solides, undurchdringliches Gestrüpp aus: ein Ring von Büschen mit

Weitere Kostenlose Bücher