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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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kann vielleicht langweilig sein. Davor war ich leitender Angestellter bei einer Versicherungsgesellschaft. Ja, der Job ist so langweilig, wie er klingt. Irgendwann muss ich da wieder hin. Was ich wirklich will, ist wie Ted Williams von den Red Sox schlagen zu können. Das ist mein Kindertraum. Der hilft mir, den Rest auszuhalten. Auf dem Boot krieg ich alle Nase lang Ärger, weil ich ständig Luftbaseball spiele.« Er nahm die Position des Schlagmanns ein und holte mit einem imaginären Baseballschläger aus. Mitten im Lokal. »Hast du schon gehört, was der Bruder von Ted Williams gebracht hat? Ich glaube, das ist so ein Drückeberger, ein ziemlicher Nichtsnutz. Also jedenfalls hatte Ted sich ein nagelneues Haus gekauft und es sich bis zum Rand schick eingerichtet. Und dann fährt sein Bruder eines Tages mit einem Lastwagen vor und räumt alles leer. Sogar die Waschmaschine hat er mitgehen lassen.«
    Alice starrte ausdruckslos vor sich hin. Sie wollte hier nur noch weg.
    »Mensch, entschuldige bitte«, sagte er dann. »Wenn ich nervös bin, rede ich immer zu viel. Darf ich mir erlauben zu sagen, dass du wirklich wunderhübsch bist?« Er fummelte an seinen Manschetten herum. »Dein Bruder hat mir ja gesagt, dass du gut aussiehst, aber – wow. Ehrlichgesagt ist mir nicht ganz klar, dass er einen Typen wie mich einer Schönheit wie dir auch nur vorstellt.«
    Mir auch nicht , dachte Alice und lächelte.
    Als Timmy wiederkam, trank sie schnell den zweiten Gin Tonic und schon bald einen dritten. Langsam fühlte sie sich warm und leicht und bewegte sich zur Musik. Wie immer vor einer Verabredung hatte sie absichtlich kaum etwas gegessen und dachte jetzt beschwipst, dass sie für diesen Daniel wirklich nicht hätte fasten müssen. Aber eigentlich war er auch gar nicht so übel.
    Dann forderte er sie zum Tanze auf. Es war ein schnelles Lied, »Don’t sit under the Apple Tree«, aber in einer noch besseren Version, als der Glenn Miller Aufnahme, die sie im Radio spielten. Sie war positiv überrascht: Daniel war längst nicht so ungeschickt, wie sie erwartet hatte. Als er ihren Oberkörper nach hinten bog, spürte sie seine große Hand heiß auf ihrem Rücken. Er drehte sie, bis ihr schwindelig wurde. Irgendwann legte sie dann eine Hand auf seinen Arm: »Ich muss mich mal setzen.«
    Er nahm sei bei der Hand und bahnte ihnen einen Weg von der Tanzfläche. Ihre Brüder waren schon abgehauen und ins Kino gegangen, um das Desaster von Fenway Park zu vergessen. Alice konnte es nicht fassen, dass sie sich einfach aus dem Staub gemacht und sie zurückgelassen hatten, aber so war es.
    Alle Barhocker waren besetzt, also ging Daniel auf eine Gruppe Männer in Air-Force-Uniform zu, die bei den Zapfhähnen saßen, und tippte einem auf die Schulter.
    »Sag mal, könntest der Dame deine Sitzgelegenheit überlassen?«
    Der junge Mann sprang sofort auf. Er war groß, breitschultrig und hatte rabenschwarzes Haar. Alice wünschte, Daniel Kelleher sähe so aus.
    »Gerne doch«, sagte er, und Alice hätte sich ihm am liebsten in die Arme geworfen und beteuert, dass Daniel eigentlich gar nicht zu ihr gehöre. Sie stellte sich vor, wie sie die Geschichte Jahre später ihren Freunden erzählten: Alice war mit diesem Typen unterwegs, mit dem ihr dummer Bruder sie verkuppeln wollte. Aber dann hatte plötzlich ihre wahre Liebe vor ihr gestanden und ihr seinen Barhocker angeboten.
    Aber schon kurz darauf wurde der Mann von der Menge verschluckt.
    »Soll ich dir noch was zu trinken holen?«, fragte Daniel. »Vielleicht noch einen Gin Tonic? Oder lieber ein Wasser?«
    Sie hätte auf Wasser umsteigen oder fragen sollen, ob er nicht hungrig sei, damit sie etwas Festes in den Magen bekam, aber stattdessen sagte sie: »Noch einen Gin Tonic, bitte.«
    Als Daniel sich vorbeugte, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen, erblickte Alice ihre Schwester, die in ein Gespräch mit einer elegant gekleideten Dame vertieft war. Marys Wangen waren rot, und sie trug ein smaragdgrünes Kleid, das Alice hier zum ersten Mal sah. Hatte sie das unter dem Mantel getragen, als sie das Haus am Morgen verlassen hatte, oder hatte Henry es ihr heute geschenkt?
    Mary lachte über irgendetwas, was die Frau gesagt hatte, und Alice dachte, dass sie wie eine der oberen Zehntausend aussah und voll und ganz zu ihrer Gesprächspartnerin passte. Der Anblick gefiel ihr nicht. Dann sah Mary auf, und ihre Blicke trafen sich. Sie gestikulierte in Alices Richtung, verabschiedete sich von

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