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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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Sommer mit Gabe war wundervoll gewesen. All das, was Maggie als Kind gerne mit ihrer Familie gemacht hatte, hatten Gabe und sie getan. Sie hatten stundenlang am Strand gelegen und gelesen und waren in der Penobscot Bucht gepaddelt, während Seetaucher ihnen vom Ufer ein Ständchen brachten. Am Unabhängigkeitstag am vierten Juli hatten sie sich auf einer kratzigen Wolldecke auf einem Acker in Kennebunkport inmitten von ebenfalls auf kratzigen Wolldecken sitzenden Familien gedrängt und das Feuerwerk bewundert. Als Abendessen hatten sie ein Picknick mitgebracht: Truthahnsandwiches, Brot und Käse, ein dickes Stück Schokoladenkuchen und eine Flasche Wein. Überall rannten Kinder herum, wedelten mit Leuchtstäben und lutschten Eis am Stiel, das viel zu schnell schmolz und ihnen in rot-weiß-blauen Streifen das Kinn hinunterlief. Als die ersten Raketen aufstiegen, nahm ein junger Vater in ihrer Nähe seine aufgeregte Tochter auf die Schultern, während seine Frau den verängstigten Kleinen tröstete, indem sie ihn mit einem riesigen Kuchenstück bestach.
    »Das könnten wir irgendwann sein«, hatte Gabe gesagt. Wie glücklich sie diese Vorstellung gemacht hatte.
    Die Beziehung schien außerhalb des Alltags besser zu funktionieren. Ohne den Stress und die Ablenkungen New Yorks waren sie andere Menschen.
    Im letzten Sommer hatte Gabe in Maine die Löcher in den Fliegengittern am Sommerhaus geflickt und beim Einbau einer Klimaanlage im Neubau nebenan geholfen. Er war, wie die meisten Leute, die nicht zur Familie gehörten, auf den ersten Blick von Alice begeistert gewesen, hatte sie fotografiert und sich von ihrer Schönheit und ihrem Charme verzaubern lassen und dabei die Kälte, die darunterlag, nicht wahrgenommen. Das Foto, ein beeindruckendes Porträt, auf dem Alice wie ein alter Filmstar aussah – Cocktailglas in einer Hand, Zigarette in der anderen – hing zwischen einem Dutzend Bilder an seinem Kühlschrank. Es war Maggie unangenehm, jedes Mal, wenn sie sich eine Orange oder Milch für den Tee aus dem Kühlschrank nahm, dem Blick ihrer Großmutter zu begegnen.
    Als Gabe jetzt verschlafen und umwerfend aussehend mit bloßem Oberkörper aus dem Schlafzimmer auftauchte, platzte Maggie mit den Worten heraus: »Ich wünschte, wir könnten heute schon fahren.«
    »Und ich wünschte, ich müsste morgen früh nicht arbeiten«, sagte er, indem er auf sie zuging und seine Arme um ihre Taille legte. Die Berührung traf sie wie ein Stromschlag, obwohl sie ihr so vertraut war. »Soll ich das Shooting abblasen, damit wir früher los können?«
    Bei diesen Worten wurde sie gegen ihren Willen unruhig. Das war doch sein erster Auftrag seit Wochen.
    »Ach nein.« Sie versuchte, locker zu klingen. »Ich kann schon noch warten. Außerdem ist es auch total schön, mal einen gemütlichen Morgen hier zu verbringen.«
    Kurz darauf scheuchte sie ihn ins Schlafzimmer zurück und legte seine Reisetasche aufs Bett. Sie packten seine Badehose und T-Shirts, Sonnencreme und Bücher, die sie beide lesen wollten. Maggie fühlte sich federleicht. So ging es ihr oft, wenn es zwischen ihnen gut lief. Gleichzeitig war sie auch besorgt: Wenn sie sich längere Zeit nicht gestritten hatten, stand normalerweise eine größere Auseinandersetzung bevor, und Gabe sollte doch unbedingt in der richtigen Stimmung für ihre Neuigkeiten sein. Also ging sie Problemen aus dem Weg und vermied es, ihn zu provozieren, was er ihr oft vorwarf.
    Vom letzten Jahr hingen noch drei Sommerkleider von Maggie in seinem Schrank. Zwei packte sie ein, das dritte ließ sie hängen.
    »Willst du das nicht in deine Wohnung mitnehmen?«, fragte er.
    Sie zuckte mit den Schultern: »Und es dann in zwei Monaten wieder hierherschleppen?«
    »Aber bis dahin ist der Sommer doch schon fast vorbei«, gab er zurück.
    Wenn sein Mietvertrag im August auslief, würde Gabes nerviger Mitbewohner Cunningham endlich aus- und Maggie einziehen.
    Gabe hatte sie nach einem Streit Mitte Mai, kurz nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, gefragt, ob sie zu ihm ziehen wolle. Alles hatte mit einer Diskussion über die Ehe angefangen: Er hielt sie für eine alberne, veraltete Institution. Sie teilte seine Ansicht bis zu einem gewissen Grad, fand aber auch, dass das nur diejenigen sagten, die der großen Liebe noch nicht begegnet waren.
    »Glaubst du noch immer nicht an uns?«, hatte er mit einer Stimme gefragt, in der Verletzung mitschwang und die sie alle Auseinandersetzungen und alle

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