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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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viel. Gabe glaubte, dass es für sie und ihn weitergehen würde wie gehabt und dass Chaos, Zufall und Schicksal alles bestimmen würden, im Guten wie im Schlechten. An jenem Abend nahm sie nicht, wie sie es seit ihrem ersten Jahr am Kenyon College getan hatte, um elf Uhr die Pille, sondern ließ die kleine Tablette in der Packung stecken. Dasselbe tat sie am nächsten Abend und am übernächsten, dann bekam sie es mit der Angst und schluckte am Folgeabend vier Tabletten auf einmal.
    Nach dem ersten Schreck dieses wahnsinnigen und berauschenden russischen Roulettes wartete sie ab und verschwieg Gabe, was sie getan hatte. Dann blieb ihre Periode aus. Sie machte zuhause einen Schwangerschaftstest, und das Ergebnis verblüffte sie, obwohl sie es hätte wissen müssen. Aber in New York hörte man augenblicklich überall nur, wie schwierig es sei, schwanger zu werden. Wie hatte es bei ihr schon beim ersten Versuch passieren können?
    Es war eine Sache, Gabe den Schwangerschaftstest zu verschweigen. Aber als sie einen Arzttermin gemacht hatte, ihrer Gynäkologin mittleren Alters im Papierkittel gegenübersaß, sich ganz ruhig über Vitaminergänzung unterhielt und danach mit Gabe ins Restaurant ging, als wäre nichts gewesen, da fragte sie sich dann doch, ob sie noch ganz dicht war. Sie hatten an jenem Abend sogar Sex.
    Normalerweise schliefen sie in der Woche im Schnitt etwa sechsmal miteinander. Eine Tatsache, die die Freunde aus ihrer alten Clique zuhause in Massachusetts, von denen die meisten mittlerweile verheiratet waren, sprachlos machte. Sogar Allegra, ihre beste Freundin von der Uni, die sich selbst in allen Lebensbereichen für außerordentlich aufgeklärt hielt, war darüber erstaunt.
    Es gab eine Art elektrische Spannung zwischen ihr und Gabe, die selbst dann nicht schwächer wurde, wenn sie sich zofften. Maggie konnte also nicht genau sagen, wann es passiert war. Aus irgendeinem Grund war ihr das aber sehr wichtig. Es nicht zu wissen kam ihr wie Unterlassung vor. Am ersten Tag ohne Pille hatten sie es in der Dusche getan, erinnerte sie sich: Sie vorgebeugt mit einem Bein auf dem Badewannenrand, er hinter ihr. Beim Gedanken daran schauderte ihr. So hatte sie sich das mit dem Kinderzeugen nicht vorgestellt. Natürlich war das jetzt ihr geringstes Problem, aber es schien ihr ein Zeichen dafür zu sein, wie ungeeignet sie als Eltern waren.
    Andererseits waren sie auch keine Teenager mehr. Es war wirklich keine große Sache, wenn ein Paar um die Dreißig ein Kind bekam, auch wenn es nicht geplant war. Sie konnten das schaffen. Zumindest sie würde es können, schoss es ihr durch den Kopf.
    Sie hatte beschlossen, es ihm in Maine zu sagen. Da würde er Zeit haben, nachzudenken und sich an den Gedanken zu gewöhnen. Vielleicht würde er sich sogar freuen.
    Gabe wusste, dass sie irgendwann in einer abstrakten Zukunft Kinder haben wollte, aber richtig darüber gesprochen hatten sie nie. Gabe war unberechenbar. Er traf Entscheidungen nach Lust und Laune und war dann auch zufrieden damit: Nach New York ziehen, von New York wegziehen, dann wieder nach New York. Sie war da eigentlich ganz anders, aber er hatte auch in ihr diese Seite geweckt, und vielleicht hatte das ja zu der Geschichte mit der Pille geführt. Wenigstens hatte sie bisher kein Problem mit Übelkeit. Das war doch schon mal ein gutes Zeichen.
    Maggie wandte sich vom Fenster ab und nahm zwei Tassen aus dem Schrank über der Spüle. Eine füllte sie mit Kaffee, eine mit Fruchtsaft. Es war niemandem aufgefallen, dass sie seit zwei Wochen kein Koffein mehr zu sich nahm. Alkohol trank sie auch nicht mehr, aber das tat sie sowieso fast nie. Sie war sich des Alkoholproblems ihrer Familie bewusst. Ihre Mutter hatte sie als Kind oft genug zu den Anonymen Alkoholikern mitgeschleppt. Angeblich, weil sie keinen Babysitter hatte finden können, aber vermutlich auch ein bisschen zur Abschreckung. Das Ergebnis war, dass Maggie auch Jahre später selten mehr als ein Glas Wein trank. Abgesehen von ein paar Weihnachtsfeiern mit der Großfamilie, war Maggie nie betrunken gewesen.
    Sie freute sich seit Monaten auf Maine und konnte das Meer schon fast riechen. Das Sommerhäuschen und der Neubau nebenan standen auf einem grünen Hektar Erde. Dahinter war nur noch Sandstrand und das dunkelblaue, offene Meer. Als Kind hatte Maggie geglaubt, am Horizont am Ende des Ozeans liege das Ende der Welt und dass man, schwamm man weit genug hinaus, in den Sternenhimmel fiel.
    Der letzte

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