Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Cunningham vor allem deshalb nicht leiden, weil er Gabes Komplize war. Cunningham war immer mit von der Partie, wenn Gabe ihr nicht ehrlich sagte, wo er gewesen war oder sich so besoff, dass er am nächsten Tag einen Auftrag absagen musste. Cunningham erweckte den bösen Teenager in Gabe, wie er es vermutlich auch schon auf der Highschool getan hatte. Damals hatten sie sich regelmäßig aus der Chemiestunde davongeschlichen und sich in den alten Steinbrüchen herumgetrieben, die später von der Stadt zugeschüttet wurden, nachdem ein anderer furchtloser Teenager dort tödlich verunglückt war.
Jetzt stellte sie sich die Wohnung nach Cunninghams Auszug vor: Ihr hellblaues Sofa und der Zweier-Kuschelsessel stünden da, wo jetzt noch seine zwei übergroßen Schlafsofas standen. (»Heterosexuelle Männer scheinen es für ihre Mission zu halten, so viele Sofas wie möglich in ein Wohnzimmer zu quetschen«, hatte Maggies Freundin Allegra bei ihrem ersten Besuch bemerkt.)
Jetzt zappte Maggie durch die Kanäle: Eine Woody-Allen-Komödie, eine Talkshow mit Politikexperten und eine Werbesendung über Schranksysteme, die Ihr Leben für den unglaublichen und ungeschlagenen Preis von nur 29,99 verändern würden.
Sie blieb bei der Werbesendung.
Gabe hob eine Braue: »Das meinst du nicht ernst, oder?«
»Jetzt bin ich dran«, sagte sie. »Um eins kannst du zum Baseball rüber schalten.«
»Aber meinst du, dass ich mich dann noch von dem Platzsparer 5000 losreißen kann?«
Sie grinste ihn an: »Jetzt weiß ich auch, was ich dir zur Einweihung schenke, wenn ich eingezogen bin.«
Werbesendungen hatten einen beruhigenden Effekt auf sie. Sie machten einem glaubhaft, dass ein paar Plastikstücke tatsächlich das Chaos und die Unsicherheiten des Lebens für immer wegzaubern könnten. Maggie schaute sie schon seit ihrer Kindheit, hatte aber nie etwas gekauft. Ihre Großmutter hatte nach dem Tod ihres Großvaters eine Art Teleshoppingsucht entwickelt. Maggies Mutter und ihr Bruder machten sich darüber lustig, aber Maggie betrübte es.
Sie stellte sich vor, wie in genau diesem Augenblick im ganzen Land einsame alte Damen wie Alice, ausgebrannte junge Hausfrauen und überarbeitete Studentinnen diese Sendung sahen und beim Versprechen von »nie wieder verlegte Handschuhe, nie wieder eine verlorene Minute – sparen Sie ab sofort Zeit für Ihre Liebsten, Zeit zu tun, was sie wirklich tun wollen« zum Hörer griffen.
»Kümmern wir uns ein bisschen um meine Großmutter, wenn wir diese Woche in Maine sind?«, fragte sie. »Wir könnten sie zum Essen ausführen, aber dann dürfen wir nicht zulassen, dass sie sich rauswindet.«
»Klingt gut.«
»Außerdem müsste ich mir mal überlegen, wann ich meine Mutter in Kalifornien besuche. Vielleicht im Herbst.«
Sie wusste schon, wie das aussehen würde. In ihrer Vorstellung saßen sie an Kathleens Picknickbank und besprachen Kindernamen, während im Hintergrund die Sonne hinter den Bergen unterging.
»Klar doch«, sagte Gabe geistesabwesend.
Kathleen und Gabe verstanden sich nicht so gut, wie Maggie es sich gewünscht hätte. Ihre Mutter hielt Gabe für unreif, Gabe wiederum verfügte über ein unerschöpfliches Arsenal von Würmerwitzen. Obwohl sie oft ähnliche Kommentare machte, verletzte es Maggie manchmal, wenn er sich über die Arbeit ihrer Mutter lustig machte oder darüber, wie es bei ihr zu Hause aussah.
»Kommst du mit?«, fragte sie.
»Warum nicht«, antwortete er und massierte ihr sanft die Schulter. »Aber vielleicht können wir diesmal in einem Hotel absteigen.«
Etwas später ließ Gabe die Zeitschrift auf den Boden fallen, stand auf und gab ihr auf dem Weg zum Bad einen Kuss auf die Stirn.
»Ich kann es kaum erwarten, endlich am Meer zu sein. Da brauche ich keine Dusche, da kann ich einfach ins Wasser springen«, sagte er beim Rausgehen.
»Du, aber manche Leute waschen sich sogar in Maine ab und zu«, sagte sie lächelnd.
»Kann schon sein, aber ich nicht, Süße.«
»Nein, natürlich nicht. Du doch nicht.«
Er schloss die Badezimmertür, und wenige Augenblick später hörte sie das Wasser rauschen.
Maggie streckte sich auf dem Sofa aus und schaute sich die Entwürfe zu ihrem Roman an. Sie hatte sich fest vorgenommen, in Maine täglich mindestens vier Stunden daran zu arbeiten. In letzter Zeit hatte sie ihren eigentlichen Job, das Schreiben, ziemlich vernachlässigt und es auch noch auf ihre Brotarbeit geschoben.
Seit zwei Jahren arbeitete sie in der Recherche
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