Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
Vom Netzwerk:
rechtfertigen, und Allegra hatte die Augen aufgerissen und gesagt: »Um Gottes willen, jetzt ist Reagan also dein moralischer Maßstab?«
    Gabe hatte noch immer das Handtuch um die Hüften. Jetzt ließ er es fallen und zog sich Boxershorts und Jeans an.
    »Das war’s für heute«, sagte er. »Ich geh’ jetzt rüber und guck mir das Spiel an. Wenn du willst, kannst du dich ja dazusetzen.«
    »Du guckst jetzt das Spiel«, sagte sie und spürte, wie sie hysterisch wurde. »Du guckst jetzt das verdammte Spiel? Das glaub ich einfach nicht.«
    »Ich hasse diese Auseinandersetzungen«, sagte er. »Das kotzt mich einfach an.«
    »Aber wir haben uns ewig nicht mehr so gestritten«, sagte sie und stand auf.
    »Ja. Weil du gekriegt hast, was du wolltest«, sagte er.
    »Ich dachte, dass wir es beide wollten.«
    »Hör mal zu: Du vertraust mir nicht«, sagte er. »Darum geht es doch in dieser ganzen Sache mit dem Zusammenziehen. Vielleicht sollten wir es beenden. Vielleicht sollten wir eine Pause machen.«
    »Eine Pause?« Sie spürte die Verzweiflung in ihr aufkommen. Hatte er eine andere? »Du machst wohl Witze.«
    »Überhaupt nicht. Und wir können auch gleich damit anfangen. Wir sind jetzt also gerade kein Paar. Und ich geh mir jetzt das Spiel ansehen.«
    »Du bist so gemein, Gabe. Wie kannst du nur so egoistisch sein?«
    »Wenn ich so schrecklich bin, dann hau doch ab«, sagte er.
    »Nein, verdammt«, sagte sie. »Ich gehe nicht. Komm, wir müssen wieder runterkommen. Reden wir drüber.«
    Manchmal lösten sich diese Auseinandersetzungen, in denen sie ihn des Lügens bezichtigte und er wütend wurde, obwohl er eigentlich tatsächlich gelogen hatte, wie von selbst auf. Aber nicht an diesem Tag: Er ging aus dem Zimmer, und sie folgte ihm in die Küche. Er schrie, dass sie gehen solle. Das lehnte sie ab, und dann schrien sie immer lauter, bis er sie bei den Schultern packte und zur Wohnungstür schob.
    »Lass mich los, Gabe«, japste sie. Ihr Herz raste. Sie dachte an das Kind und fragte sich, wo der Feigling Cunningham sich versteckte. Gabes Griff war zu fest. Sie erinnerte sich an seine sanfte Berührung nur eine Stunde zuvor. Ihre schlimmsten Auseinandersetzungen kamen immer aus heiterem Himmel und waren dann genauso unerwartet wie heftig.
    »Ich will dich nicht mehr sehen«, sagte er.
    »Dein Pech. Ich muss dir nämlich etwas sagen. Wir müssen reden.«
    »Ich muss gar nichts. Das ist meine Wohnung. Verschwinde!«
    »Gabe – wenn du dich weigerst, mit mir zu reden, ist es aus«, sagte sie und bekam es mit der Angst.
    »Dann ist es eben aus«, sagte er und schloss die Tür. Sie stand allein im Hausflur. Dann öffnete sich die Tür noch einmal und ihr dummes Herz schlug schneller, bis sie den Koffer in seiner Hand sah, der alte Louis Vuitton ihrer Tante Ann Marie. Sie hatten diese ganze Misere selbst fabriziert, dachte sie jetzt. Wenn sie es nur wollten, hielt sie nichts davon ab, dieses Drama hier und jetzt zu beenden, einfach wieder reinzugehen, das Baseballspiel zu sehen, glücklich zu sein, eine Familie zu gründen, ihr Leben miteinander zu verbringen. Aber nein.
    »Gute Reise«, sagte er, stellte ihr den Koffer vor die Füße und schlug die Tür zu.
    Sie spürte ein altbekanntes Gefühl in sich aufsteigen, das immer dann kam, wenn sie nach einem Streit die Tür hinter sich zuschlug. Oder wenn sie ihm ein Ultimatum stellte, auf das er gar nicht einging und sie stattdessen einfach wegschickte. Wenn sie ihm den Rücken kehrte, fühlte sie sich mächtig. Aber kurz darauf stand sie wartend im Hausflur vor seiner Wohnung oder schlich in der Hoffnung um den Häuserblock, dass er sie suchen kommen würde. Dann wurde ihr das Gewicht ihrer Geste bewusst und sie erkannte, dass sie sich mit ihrer Vorliebe für stolze, dramatische Gesten nur wieder ins eigene Bein geschossen hatte.
    »Du hast Mumm in den Knochen, Vögelchen«, hatte ihr Großvater gesagt, als sie noch ein Teenager war.
    Kann schon sein. Aber am Ende war’s doch wie in den Wind gespuckt.

Kathleen
    K athleen wachte davon auf, dass eine dicke, rauhe Zunge ihr über die Nase leckte und gleichzeitig ein schweres Gewicht auf ihrem rechten Oberschenkel landete.
    »Runter, ihr Monster«, sagte sie und öffnete die Augen. Die beiden ließen sich nicht stören, und die Zunge schleckte ihr jetzt übers Kinn, wo sie eine breite Sabberspur hinterließ. Kathleen wischte sie mit der Hand ab.
    »Ist ja gut, ich bin ja schon wach.«
    Mack und Mabel waren ausgewachsene

Weitere Kostenlose Bücher