Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Schwägerin zu gut. Kathleen hatte jetzt etwas gegen sie in der Hand, und wenn nicht jetzt, dann würde sie später davon Gebrauch machen. Kathleen konnte, sobald sie Lust hatte, alles kaputtmachen. Würde Ann Marie je wieder Ruhe finden?
Nach dem Frühstück beschloss Ann Marie, obwohl alle satt waren und sie einen fürchterlichen Kater hatte, noch einen Blaubeerkuchen zu backen. Zumindest würde ihr der Einkauf erlauben, von hier zu verschwinden. Auf dem Weg zum Auto stieß sie im Garten auf ihre Schwiegermutter.
»Kathleen und Maggie sind abgereist«, sagte Alice.
»Was? Wann denn das?«, fragte Ann Marie.
»Frühmorgens schon. Kathleen fährt Maggie nach New York zurück. Es sieht nicht so aus, als würde Gabe sich nochmal blicken lassen. Dieser Mistkerl.«
Ann Marie nickte ernst. Irgendwie war es tröstlich, an die Fehlentscheidungen anderer zu denken.
»Ich soll dir von Kathleen ausrichten, dass sie das Meer satthatte und endlich bereit war, das Feld zu räumen«, fügte Alice hinzu und verdrehte die Augen. »Was auch immer das heißen soll.«
Ann Marie hatte gehofft, dass Steve sich irgendeine Ausrede einfallen lassen und verschwinden würde, aber das tat er nicht. Er ging ihr auch nicht aus dem Weg, wie sie vielleicht erwartet hätte. Stattdessen benahm er sich an den letzten drei Tagen seines Besuchs, als sei überhaupt nichts vorgefallen. Aber jedes Mal, wenn er seiner Frau durchs Haar fuhr oder ihre Hand nahm, durchlebte Ann Marie die demütigende Szene vom vierten Juli ein weiteres Mal.
Mit jedem Tag näherte sich die Konfrontation mit Alice. Pat und Ann Marie besprachen sich abends flüsternd im Bett. Sie wollten es so schnell wie möglich hinter sich bringen und waren sich einig, dass ihre Wortwahl allesentscheidend war. Sie durften Alice nicht in die Defensive treiben oder ihr das Gefühl geben angegriffen zu werden. Stattdessen würden sie betonen, dass ihre geplante Spende von außergewöhnlicher Großzügigkeit sprach, und gleichzeitig sanft darauf hinweisen, dass es ihnen das Herz brechen würde, sollte sie das Testament unverändert lassen.
Am siebten Juli reisten die Brewers endlich ab. Sie waren vermutlich noch nicht einmal auf der Autobahn, als Pat und Ann Marie schon nach nebenan gingen, um mit Alice zu reden.
Sie saß rauchend am Küchentisch und war in einen Krimi versunken, den Ann Marie von ihrer Mutter bekommen und an sie weitergereicht hatte.
»Wir würden gerne mal mit dir sprechen, Mama«, sagte Pat. Er klang wie ein verängstigtes kleines Kind.
Alice hatte gute Laune: »Natürlich, ihr Süßen. Setzt euch doch! Ein Bier, Pat?«
»Nein, danke.«
Sie hielt das Buch hoch: »Wirklich gut.«
»Ja, das fand ich auch«, sagte Ann Marie.
»Also«, sagte Pat, »wir müssen mal mit dir über diese Sache mit dem Testament reden.«
Alice verdrehte die Augen: »Nicht das schon wieder.«
»Wir halten es für eine ganz besonders großzügige Geste, Mama«, sagte Ann Marie. »Und wir wissen auch, wie viel dir die Gemeinde hier bedeutet. Aber das Grundstück bedeutet uns doch auch so viel.«
»Ja, ich weiß«, sagte Alice. »Aber es geht ja nicht gleich morgen an die Kirche. Wenn ich nach den Frauen in unserer Familie komme, habe ich noch mindestens zehn Jahre vor mir.«
Wie ich mein Glück kenne, eher dreißig , dachte Ann Marie.
Alice fuhr fort: »Stellt euch das doch mal vor: Zehn Jahre! Bis dahin habt ihr das alles hier längst satt.«
Jetzt meldete sich Pat wieder zu Wort: »Aber das bringt uns in eine grässliche Lage: Von uns möchte niemand im Zusammenhang mit zwei Häusern darüber nachdenken, wie lange du noch zu leben hast. Wir wollen doch, dass du immer hier bist.«
Pat war anscheinend wirklich bewegt. Mutter-Kind-Beziehungen sind mir ein Rätsel , dachte Ann Marie. Kinder lieben ihre Mütter anscheinend ganz ohne Sinn und Verstand .
»Ich habe das schon vor einem halben Jahr entschieden«, sagte Alice, »und ich werde es nicht rückgängig machen, nur weil ihr ein paar nette Erinnerungen mit dem Haus verbindet. Ihr könnt mir glauben, dass mir die Entscheidung nicht leicht gefallen ist.«
»Warum hast du uns nichts davon gesagt?«, fragte Pat. »Was, wenn dieser Priester nicht –«
»Dieser Priester hat einen Namen«, sagte Alice.
»Was, wenn Pfarrer Donnelly sich nicht Ann Marie gegenüber verplappert hätte? Hättest du uns überhaupt jemals ins Vertrauen gezogen?«
»Aber natürlich«, sagte Alice.
»Und wann?«
»Zum richtigen Zeitpunkt.« Sie seufzte.
Weitere Kostenlose Bücher