Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Schäferhunde. Er wog siebenunddreißig Kilo, sie dreißig. Aber sie sprangen wie Welpen auf dem Bett herum, zerkratzten ihre nackten Arme und zerwühlten die Laken.
»Schluss jetzt, ihr beiden«, sagte sie mit aufgesetzt strenger Stimme. Wenn es ums Geschäft ging, konnte sie knallhart sein, aber Disziplin lag ihr nicht, weder bei der Erziehung von Maggie und Chris, noch bei den Hunden.
Nach einer Weile beruhigten die Hunde sich und legten sich auf Arlos Bettseite. Es war Sonntag, aber er war für einen acht-Uhr-Vortrag vor einer ganzen Kleinstadt junger Pfadfinderinnen in Paradise Pines, zweieinhalb Autostunden nördlich von hier, schon im Morgengrauen aufgestanden.
Mack und Mabel hechelten, obwohl es im Zimmer nicht besonders heiß war und ein Ventilator aufs Bett gerichtet war. Kathleen war kurz etwas niedergeschlagen. Als sie die Hunde rettete, waren sie erst ein paar Tage alt gewesen. Jemand hatte den ganzen Wurf an der Route 128 gefunden, von irgendwem ausgesetzt. Wie konnte man so etwas nur tun? Das würde sie nie verstehen. Jetzt waren ihre kleinen Lieblinge plötzlich vierzehn Jahre alt und schon nach ein paar Minuten Toben vollkommen erschöpft.
Sie drehte sich um und drückte Mack an sich, der wiederum hinter Mabel lag und so kuschelten sie sich zu dritt aneinander. Bevor sie Arlo kennenlernte, hatten sie immer so geschlafen. Wenn er da war, bestand er darauf, dass die Hunde am Bettende lagen oder am besten auf dem Boden. Deshalb ignorierte Mack ihn auch nach zehn Jahren noch.
Kathleen hatte sich seit sie klein war zu Streunern hingezogen gefühlt. Wie oft war sie abends mit einem Hund nach Hause gekommen, der einsam durch die Gegend gestreift war, um dann von Alice zu hören, dass sie ihn nicht behalten durfte? Kathleen sagte dann nur: »Gut«, und brachte den Hund im Schuppen hinter dem Haus unter, stellte ihm eine Schüssel Wasser und den Teller mit ihrem Abendessen hin, brachte ihm eine weiche Decke und ließ die große Taschenlampe, die sie für den Fall eines Hurrikans hatten, auf höchster Stufe brennen. Am nächsten Tag hing sie mit ihrem Vater im ganzen Viertel Zettel auf, und irgendwann kam jemand, um seinen Ringo, Hasso oder Tony abzuholen.
Es war nicht wichtig, ob Arlo mit den Hunden etwas anfangen konnte oder nicht. Kathleen und er ließen einander ihre Leidenschaften, was es auch sein mochte. Deshalb wohnte sie auch auf einer Würmerfarm und hatte sich einmal beim Sex filmen lassen, während im Hintergrund eine Liveaufnahme von »Sugar Magnolia« lief.
Ihr Exmann Paul hatte eine Hundeallergie. Das hätte ihr schon Zeichen genug sein müssen. Nach der Scheidung adoptierte sie Daisy, eine pensionierte Windhunddame. Die Arme, keiner konnte sie richtig leiden. (»Ich weiß genau, wie sich das anfühlt«, sagte Kathleen zu ihr, wenn Alice rüberkam und die Nase rümpfte.) Seitdem hatte sie immer mindestens einen Hund gehabt, meistens aber zwei oder drei. Die Hunde hatten sie vor dem Wahnsinn bewahrt. Ihr Verhältnis zu ihnen war ungetrübte Freude. Keine Hintergedanken, keine Gehässigkeiten, nur Zuneigung und Zärtlichkeit, genau die Dinge, von denen sie mehr im Leben wollte.
Kathleen stieg aus dem Bett und ging aufs Klo. Auf der anderen Seite der Badezimmertür warteten zwei weit geöffnete Mäuler darauf, dass der Tag endlich begann. Es war fast zehn. Arlo ließ sie immer ausschlafen, wohl auch zu seinem eigenen Heil. Sie war ein ziemlicher Morgenmuffel, und in letzter Zeit konnte sie abends oft lange nicht einschlafen. Die Farm und die zusätzliche Arbeit, die sie sich aufgebürdet hatten, machten sie unruhig. Außerdem sorgte sie sich mehr als sonst um Maggie und sah mit Sorge, wie ihre Tochter von den Kellehers behandelt wurde.
Morgen sollten Maggie und Gabe nach Maine fahren. Alice war schon dort. Kathleen fragte sich, woher ihre Tochter das Zugehörigkeitsgefühl und Vertrauen zur Familie nahm. Selbst spürte sie nichts dergleichen, erst recht nicht seit dem Tod ihres Vaters. Sie liebte ihre Familie, wie man seine Familie eben nun mal liebt, aber es verletzte sie, zu sehen, wie sie Maggie immer und immer wieder enttäuschten. Das Neueste war dieser unmögliche Anruf von Ann Marie. Er ging Kathleen nicht aus dem Kopf.
Sie ging die Treppe hinunter, und Mack und Mabel folgten ihr auf den Fersen. Dann öffnete sie die Hintertür in der Küche, und die Hunde schossen hinaus und absolvierten ihr tägliches Ritual, bei dem sie Blumen fraßen und unschuldige Schmetterlinge
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