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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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terrorisierten. Kathleen blieb wie jeden Morgen kurz in der Tür stehen und genoss den Blick: Die Berge, eine Reihe riesiger Eichen in der Ferne, die prachtvollen Blumenbeete (ihre Produkte hielten eben, was sie versprachen), der Gemüsegarten und die beiden roten Scheunen, zwischen denen ein Streifen knackiges Gras lag. Mit dem Auto war man in ein paar Minuten im Weinbaugebiet – Wein, soweit das Auge reichte.
    Zwei trockene Alkis mitten im Wein! So hatte Arlo sie bei ihrem ersten Treffen mit den Anonymen von Sonoma Valley vorgestellt. Es gab Gelächter, weil ja alle Anwesenden in diesem Widerspruch lebten.
    Sie hatten sich vor zehn Jahren bei einem Anonymen-Treffen in Cambridge kennengelernt. Als er sie auf einen Kaffee einlud, hatte sie Ja gesagt, obwohl er eigentlich nicht ihr Typ war. Arlo war ein Althippie mit struppigem, grauem Haar, der mit Anfang Dreißig nichts als die Grateful Dead im Kopf gehabt hatte. Auf einem Treffen hatte er erzählt, dass es für ihn, bevor er 1990 zu den Anonymen gestoßen war, nicht ungewöhnlich gewesen war, innerhalb eines Tages eine Flasche Whiskey zu kippen und drei Joints zu rauchen. Abgesehen von Jobs in Cafés und Bars, hatte er nie eine feste Arbeit gehabt. Obwohl sie selbst Alkoholikerin war, hatte Kathleen Vorurteile gegenüber Abhängigen anderer Substanzen. Außerdem hatte ihr Vater Hippies immer gehasst.
    Bei ihrer ersten Verabredung war Arlo allerdings schon vier Jahre trocken. Er brachte sie zum Lachen. Beide meditierten gerne, obwohl Kathleen sehen konnte, dass er es freier betrieb als sie. Ihm ging es mehr um ein Lass die Sonne rein , ihr Ziel war es, auf dem Boden zu bleiben und nicht so zu werden wie ihre Mutter. Ihr gefiel seine Leidenschaft fürs Gärtnern und dass er seine Arbeit kostenlos in einer Baumschule anbot. Er erzählte ihr von seinem Traum von einer eigenen Kompostherstellung. Dabei würde er Würmer mit Abfall füttern und aus ihrem Kot erstklassigen Dünger gewinnen.
    Arlo war eins fünfundneunzig groß und schmal. Er war empfindsam, sanft und warmherzig, und wenn er lachte, wackelten die Wände. Arlo mochten alle. Abgesehen von ihrer Familie natürlich, aber das war ja keine Überraschung. Kathleen glaubte (und hoffte), dass Maggie und ihre Schwester Clare ihn mochten. Was die anderen dachten, war ihr egal.
    Wenn jemand sie nach ihrem Beruf fragte, antwortete Kathleen, dass Arlo und sie einen Biokompostbetrieb führten, und hoffte, dass keine Nachfrage kam. Im Klartext hieß das, dass sie unter anderem Würmer und Sprühdünger, auch bekannt als Wurmkotcocktail, an Gärtnereien in ganz Kalifornien verkauften. Auf der Farm gab es Würmer in jedem Lebensabschnitt: Frisch geschlüpfte, solche, die gerade zum ersten Mal in winzigen Bissen an Bananenschalen knabberten und solche, die schon kompostierten und prächtigen Dünger herstellten, den sie dann nur noch durchsieben mussten. Ihre drei Millionen Würmer produzierten fast anderthalb Tonnen Düngemittel im Monat.
    Sie hatten die Farm vor zehn Jahren gekauft, ohne sie gesehen zu haben. Damals kannten Kathleen und Arlo sich gerade seit sechs Monaten. Das Haus stand auf zwei Hektar Land in Glen Ellen, einem kleinen Bauernort bei Sonoma. Beide hatten ihre Häuser in Massachusetts verkaufen müssen und konnten sich davon und mit dem Erbe von Kathleens Vater den Hof gerade so leisten. Gerade so. Als Kathleen Maggie damals von ihrer Idee erzählte, hatte die sich große Sorgen gemacht. Nach langen Gesprächen und einem ganzen Ordner voll Recherche hatte aber sogar Kathleens vorsichtige, überängstliche Tochter eingesehen, dass Arlos Plan Potential hatte. Er brauchte nur Startkapital und jemanden, der an ihn glaubte.
    In diesem Jahr boomte das Geschäft. Eine überregionale Zeitschrift für Bioprodukte hatte über Arlos Orchideencocktail geschrieben, und jetzt wurden sie von Bestellungen überrollt. Aber das Beste war, dass die Los Angeles Times und die Sonoma Index-Tribune im Frühling über den Hof berichtet hatten, woraufhin ihnen eine Gartencenterkette mit Filialen in drei Staaten einen Vertrag angeboten hatte.
    Kathleens Geschäftstüchtigkeit hatte sie beide überrascht. Es waren ihre Kontakte gewesen, die ihnen zu den Artikeln über den Hof verholfen hatten. Auch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen war ihre Idee gewesen und brachte ihnen jetzt die regelmäßigen Abfalllieferungen, die sie für den Betrieb brauchten. Es war ihr sogar gelungen, ihre von Alice geerbte aggressivere Seite

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