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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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starrte hinüber, die Frau selbst saß an einem Tisch mit vier weiteren Damen. Entsetzt hielten die sich die Serviette vor den Mund und schoben ihre eigenen Salatteller weit von sich.
    »Beruhigen Sie sich, Frau Petersen. Die Anja schaut schon im Salat nach …«, sagte eine Kellnerin, während sich Frau Petersen an ihr festkrallte.
    »Eine Schnecke«, wimmerte die nur noch.
    »Aha«, rief die Kellnerin aus, nahm sich eine Gabel und pikste unter dem entsetzten Aufschrei der anderen Frauen schwungvoll in den Salat. Triumphierend hielt sie ein größeres, braunes, etwas glibberig aussehendes Objekt hoch. Sophie kniff leicht die Augen zusammen, um das Ding zu fixieren – ja, es sah ein bisschen aus wie eine Schnecke, allerdings, wo genau war der Kopf?
    »Meine Herrschaften, darf ich vorstellen: ein Schwammerl«, sagte die Kellnerin triumphierend.
    »Ein was?« Die Petersen schluchzte nun fast. »Welches widerliche Tier verbirgt sich hinter dem Namen?«
    Die andere Kellnerin musste sich das Lachen verkneifen. »Ein Schwammerl ist ein Pilz, liebe Gäste. In diesem Fall ein gebratener Steinpilz. Wir haben die Pilze gestern selbst gesammelt, die Wälder sind voll davon. Der Schwammerl sieht tatsächlich ein bisschen aus wie eine Nacktschnecke, aber keine Sorge, der kriecht Ihnen nicht durch den Salat. Wir haben die Salate wirklich gründlich gewaschen, Sie können in Ruhe weiteressen.«
    Frau Petersen, statt nun erleichtert zu sein und sich zu entschuldigen, begann wieder zu japsen. »Das ist eine bodenlose Frechheit, bringen Sie gefälligst Ihren Salat in Ordnung, bevor Sie ihn servieren. So etwas muss einem doch gesagt werden! Diese Pilze sollte man markieren. Ich werde mich bei Herrn von Studnitz über das Küchenteam beschweren. Und über Sie auch, Sie grinsen auch noch unverschämt!« Sie zeigte mit einem zitternden Finger auf die Kellnerin, rauschte dann aus dem grünen Speisesaal und ließ die Tür krachend hinter sich zufallen.
    Sofort setzte Gemurmel im Raum ein, man wandte sich wieder dem Essen zu, nur an Frau Petersens Tisch verschmähte man den Salat ab jetzt.
    »Unter klassische Frauenleiden fällt unüberhörbar auch die Hysterie. Hysterikerinnen, Überspannte und Hyperaktive mit Burn-out«, setzte Julia wieder ein und musste lachen. »Sie hoffen, hier oben Heilung zu finden. Genauso wie wir. Man muss sie meiden, sonst wird es anstrengend …«
    »Aber ich glaube, das müssen wir dir nicht mehr sagen«, meinte Zoe grinsend. Dann stießen sie an.
    In diesem Moment wurde der Hauptgang aufgetragen – dreimal das Lamm, einmal der Bachsaibling. Alles war wunderbar angerichtet, das Lamm rosa gebraten, die Spinatknödel saftig und nicht zu groß. Auch der Bachsaibling auf dem Weinkraut machte einen guten Eindruck, die Sahne nahm sicherlich einen Teil der Säuerlichkeit. Man wünschte sich guten Appetit, und Sophie, die trotz Suppe und Salat noch hungrig von der Reise war, nahm zufrieden ihren ersten Bissen. Mmh, wirklich zart, auch hier hatte der Koch mit Kräutern gearbeitet. Ein Gedicht.
    Ja, gemeinsam essen veränderte, es brachte alle näher zusammen. Man plauderte, erzählte, lachte, öffnete sich. Und so traute sich Sophie, nachdem die Teller zur Seite geschoben waren und alle entspannt dasaßen, eine sehr direkte Frage zu stellen.
    »Warum seid ihr hier?«
    Kaum war der Satz ausgesprochen, empfand sie ihn aber doch als etwas zu fordernd. Sie wollte etwas so Privates wissen und gab nichts dafür her. Also ergänzte sie: »Bei mir klappt es nicht … Wir wollen ein Baby, aber …« Verdammt, warum stammelte sie? »Unerfüllter Kinderwunsch, deshalb bin ich hier hochgekommen. Geht es euch auch so?«
    Sie nickten. Alle drei.
    Und plötzlich war es, als sei eine Last von ihr genommen. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie einsam sie in den letzten Monaten gewesen war. Ihre Freundin Nina konnte ihr nicht wirklich helfen, bei ihr hatte ja alles problemlos geklappt. Sophie hatte bald gemerkt, dass sie nur zwei Typen von Frauen kannte: die, die unkompliziert Mutter geworden waren. Oder die, die keine werden wollten. Aber sie wollte und konnte nicht. Manchmal hatte sie sich wie ein Krüppel gefühlt. Aber diese drei waren in der gleichen Lage wie sie. Sie mussten die gleiche Demütigung durchleben, aber sie wirkten nicht gebrochen, sie waren witzig, angenehm, charmant. Schon das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, stimmte Sophie heiter.
    »Wie schön, euch zu treffen«, sagte sie also – als lerne sie die drei Frauen ein

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