Sommer mit Nebenwirkungen
hat mir etwas für dich mitgegeben, eine Botschaft.« Er schaltete das iPad an.
Genervt rieb sich Sophie die Stirn. Eine Botschaft von Dr. Kemper, dem Herrscher der Hormone. Das war noch unangenehmer und bohrender als der Kater.
»Ich will nichts hören«, protestierte sie schwach, aber davon ließ sich Johann natürlich nicht beirren. »Wo ist eigentlich dein Verlobungsring?«, fragte er ganz nebenbei, während er mit der Technik hantierte. »Am Finger jedenfalls nicht, das sehe ich.«
Die Ausrede, sie habe den Ring im Wellnessbereich verloren, klang ziemlich lahm. Sophie faselte irgendetwas von Sauna mit Aromatherapie, dicken Fingern und wie sie ihn abgelegt hatte, aber Johann schien ohnehin abgelenkt. Er starrte fassungslos auf den Bildschirm. »Tatsächlich, kein Internetempfang hier oben. Ich frage mich, wie so ein Hotel überhaupt in der modernen Welt existieren kann. Wir sind hier doch nicht in …«, er suchte das richtige Wort, »… Pakistan.«
In diesem Moment traten Julia, Katalin und Zoe aus dem grünen Raum, wo sie gefrühstückt hatten. Zoe sah erholt aus, sie war zwar immer noch etwas matt, wirkte aber insgesamt kraftvoller. Wie jemand, der eine lange, schwere Nacht hinter sich hatte und dabei zu einer Entscheidung gekommen war. Die Traurigkeit umgab sie zwar noch, aber wie konnte das anders sein? Sie hatte sich eingestehen müssen, dass ihr Lebenstraum unerfüllt bleiben würde.
Sophie winkte den dreien zu, die sofort neugierig auf ihren Tisch zusteuerten. Sie trugen Badetaschen in der Hand – offenbar wollten sie gerade weiter zum Swimmingpool schlendern.
»Wer ist das?«, fragte Johann.
»Freundinnen«, antwortete Sophie.
Johann betrachtete die drei Frauen, die eine attraktive Runde bildeten. »Freundinnen«, sagte er leise. »Und, glauben die auch an diesen Wasserkram?«
Sophie nickte.
»Ein Haufen sonderbarer Esoterikerinnen«, hörte sie ihn murmeln. Aber Johann blieb höflich. Er stand auf und verbeugte sich leicht: »Darf ich mich vorstellen, ich bin Johann, Sophies Verlobter. Zumindest dachte ich bis heute Morgen, ich wäre es. Jetzt finde ich sie allerdings ohne Verlobungsring vor. Und sie wacht morgens mit dem Namen eines fremden Mannes auf den Lippen auf.«
Das Dröhnen im Kopf wurde wieder stärker. Das Gute am Schmerz war allerdings, dass er alle anderen Gefühle dämpfte. Auch die Scham.
»Oh, das ist interessant. Welchen Namen nannte sie denn?«, fragte Julia, die wirklich schnell im Kopf war, interessiert.
»Philipp«, sagte Johann. »Können Sie mit dem Namen etwas anfangen?«
Die Freundinnen wichen Johanns Blick aus. Unter ihrem dunklen Pony schaute Katalin Sophie überrascht an. »Studnitz?«, formte sie mit den Lippen hinter Johanns Rücken. Sophie massierte sich die Schläfen, ja, keine Frage, der Schmerz war wieder da.
»Setzen Sie sich doch zu uns«, bot Johann jetzt an. »Ich wollte Sophie etwas vorspielen, was womöglich auch Sie drei interessieren könnte. Sie scheinen ja alle in einer ähnlichen Lage zu sein.«
Sofort schnappte sich jede von ihnen einen Stuhl, offenbar toppte Johann den Gang zum Pool. Na, zumindest war der große Tisch jetzt gut besetzt. Mit einer kurzen Handbewegung bestellte Johann drei weitere Cappuccini. Ja, er war ein Dirigent in der schönen neuen Servicewelt.
»Du siehst müde aus«, sagte Katalin mitfühlend zu Sophie, »konntest du nach der Sache gestern Abend nicht gut schlafen?«
»Tatsächlich«, bestätigte Julia, »du hast Augenringe.«
»Brauchst du irgendetwas? Ich habe Migränetabletten, da ist besonders viel Ascorbinsäure drin«, schlug Zoe vor und wühlte in ihrer Handtasche.
Na super, dachte Sophie. Nach vier Obstlern sehe ich sogar schlechter aus als eine Frau, die vor vierundzwanzig Stunden einen Selbstmordversuch unternommen hat. Zoe reichte ihr die Tabletten rüber.
»So, so, ein ganz normales Medikament vom Pharmakonzern. Ich dachte, hier oben braut man nur Tees und tanzt im Kreis herum«, witzelte Johann. Die drei Freundinnen schauten ihn irritiert an.
Sophie beobachtete mit Erleichterung, wie sich die Tablette sprudelnd im Wasser auflöste. Hilfe war nah! »Er denkt«, sagte sie, während sie das Glas nicht aus den Augen ließ, »das hier sei kein normales Hotel, sondern ein Esoterikzentrum.«
»Das habe ich nicht gesagt«, protestierte Johann. »Allerdings, ja, ich gebe zu, ich habe meine Vorbehalte. Dieser Ort wirkt …«, offenbar suchte er jetzt vorsichtig die richtigen Worte, »… etwas aus der Zeit
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