Sommer, Sonne, Ferienglück
Kronleuchter alle Prismenfarben, die zu erzeugen nur die Meister im nahen venezianischen Murano imstande sind.
Das alles war schon sehr beeindruckend.
Und wenn morgen der Haupttroß der Gäste kam, zwei Gruppen zu je acht Personen aus Linate, der Rest im eigenen Wagen – das Projekt der Busgruppe von vierzehn Personen, auf das Theo so hoffte, hatte sich zerschlagen, einstweilen wenigstens –, wenn diese Nordmenschen also durch die Tür in die Empfangshalle traten, würden sie bestätigt finden, was ihnen der Prospekt versprochen hatte: »Die einzigartig exklusive Atmosphäre dieses Hotels wird Ihnen unvergeßlich bleiben.«
Doch polierte Messingstangen und Kristallrhomben aus Murano, Eichentäfelung oder gar Marmorintarsien, was bringen sie schon? Dem menschlichen Magen jedenfalls sind sie unzuträglich. Und das Herz eines Hotels ist nicht die Eingangshalle, sondern nun mal und seit allen Zeiten die Küche.
Dort aber herrschte die Krise …
***
Um den Tisch neben dem Herd hatten sie sich versammelt, der harte Kern der Truppe, die, die im letzten Moment, als keiner mehr daran glauben wollte, doch noch den Sieg gegen die Zeit und alle Widerstände errungen hatten.
Es waren acht. Marco, der eigentlich nicht so recht mit dem Problem befaßt war, das man diskutierte, war auch dabei. Aber ihm ging es mehr um die zwei Flaschen ›Bianco la Rocca‹, Jahrgang 1986. Theo hatte sie zur Feier des Tages, wenn schon, denn schon, von den neu gefüllten Regalen im Keller geholt. Dann Karl Plaschek natürlich, zusammen mit seiner Rosi, schließlich hatte sie in den Kampftagen der Renovierungsschlacht die ganze Truppe mit ihren westfälischen Gerichten versorgt, die den Pasta gewöhnten Trentinern manchmal einige Schwierigkeiten bereiteten, dann Lydia, Anita und Luisella, drei Mädchen aus der unerschöpflichen Personalreserve von Giulietta, der Herrin des ›Mirtillo-Hofs‹, in der ›Villa‹ waren sie als Hilfskräfte für Zimmerputzen und Küche eingeteilt, und schließlich Christa und Theo Schmidle.
Am Tisch pendelte die Stimmung zwischen Galgenhumor und neuer Panik. Morgen, in noch nicht mal vierundzwanzig Stunden, würden drüben im Speisesaal die Tische besetzt sein, nicht alle, aber zumindest zwei Drittel der Tische, besetzt mit Gästen, die mit der Erwartung der Neuankömmlinge auf die Karte starren, Carlo, den Kellner, fragen würden, was denn dies und jenes bedeute und wie das schmecken würde.
Die Karte wiederum, sie erklärte die Gerichte auch auf deutsch, war beeindruckend. Wie auch nicht, Theo hatte sie ja entworfen, nachdem er eine ganze Nacht lang Kochbücher gewälzt hatte. Da waren sie nun aufgereiht, die Herrlichkeiten der italienischen Eßkultur, die nach Theo Schmidles Ansicht ohnehin unangefochten die Spitze hielt. Da gab es als Vorspeisen schon mal ›Zucchini a scapece‹, marinierte Zucchini also, dann ›Prosciutto con melone‹, Schinken mit Melone, und die ›Peperonata‹ oder als besonders originelle ›Cavolfiore con acciughe‹, den Blumenkohl mit Sardellen.
Und die Suppen erst! All die herrlichen ›minestre‹ und ›minestrone‹, mit Fenchel, Pilzen, Reis und Fleisch gekocht, die ›Jola‹, eine Krautsuppe, die aus Kärnten über Südtirol an den Gardasee gewandert war, und auch sie zählte noch zur ersten Runde der ›Antipasti‹, wie auch die Pastagerichte selbst, die Tagliatelle, Tortellini, Ravioli, Spaghetti, die ›alla carbonara‹ oder ›all'amatriciana‹, die einfachen wiederum, die ›Spaghetti alla napoletana‹ oder ›bolognese‹, aber wer sie pikant bevorzugte, bekam sie mit ›aglio, olio e peperoncino‹, wobei der Knoblauch manchen deutschen Gästen sicher Schwierigkeiten bereiten würde – sollten sie sich doch Herrgott noch mal daran gewöhnen, daß es nichts Gesünderes gibt und daß ein gutes Essen ohne Knoblauch einfach nicht denkbar ist, ein Jungbrunnen ist die Knoblauchknolle, jawoll!
Und weiter ging's mit Reisplatten, das ›Risi-Pisi‹, ›Risotto alla milanese‹ oder ›risotto di gamberi‹, in dem die rosa Krabben einen so reizvollen Kontrast zu den weißen Reiskörnern bildeten, dann die Fleischgerichte, die herrlichen ›saltimbocca‹, Kalbsschnitzel, dünn geschnitten, mit Schinken und Salbei belegt, die ›Polpetone alla toscana‹, eine Art Hackbraten, und der ›Brasato‹, stundenlang in Rotwein geschmort …
In schwungvoller, wie gestochener Schrift hatte Theo höchstpersönlich diese Köstlichkeiten aufs Papier gemalt und durch
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