Sommer, Sonne, Ferienglück
Begeisterung und Hingabe.
Den wahren Durchbruch aber brachte der ›Bardolino‹, der Wein vom Ostufer dort drüben. Und wer's mit dem Weißwein hielt, nahm einen ›Soave‹ aus der Gegend von Verona.
Von wegen Bier!
»Könnten wir vielleicht noch so ein Fläschchen …?« ging das jetzt. Und zum sich anbahnenden Erfolg des Abends kam die zweite, entscheidende Komponente: Tomeo, mit dem Künstlernamen ›il figlio del lago‹, der ›Sohn des Sees‹, Tomeo und seine Mandoline, ja, und dann die Stimme, die unter einem gewaltigen Hängeschnauz zwischen ein paar wenigen braunen Stockzähnen hervorbrach. Eine unglaubliche Stimme. Schmettern oder schmelzen konnte sie, wie es das Lied, die Laune oder der Augenblick verlangten.
»Phantastisch! Da capo!«
Das Händeklatschen scheuchte selbst schlafende Vögel aus ihren Nestern.
Wer auch könnte Tomeo's ›Madonna dei monti‹, seinem ›Bambola di mi cuore‹, der ›Isola Bella‹ widerstehen? – Da öffneten sich die Herzen, da glänzten Frauenaugen, Hella Ranitzer sagte ganz hektisch: »Ist er nicht hinreißend!« und kniff in einen Arm, von dem sich dann herausstellte, daß es sich nicht um den Arm ihres Mannes, sondern um den eines wildfremden Studiendirektors handelte.
Aber was machte das schon? Man klatschte, lachte, schrie. Zum Schluß – denn Tomeo verstand sein Geschäft und wußte, was die aus dem Norden liebten – zum Schluß wurde auch noch geschunkelt.
Was tausend Worte nicht zustande brachten, ein gutes Essen, ein bißchen Wein und ein paar Takte Musik hatten es geschafft, und zwar spielend.
Da unten aber lag der See, mondschimmernd, eine gehämmerte Silberplatte, umstickt von den blinzelnden Lichtern seiner uralten Dörfchen und Städtchen, im Norden bewacht vom schwarzen Dreiecksband der Gipfel.
Was für ein Bild! – Doli. Wirklich doli. Doli auch die Idee, hier raufzufahren. Und ein netter Kerl, dieser kleine, glatzköpfige Hoteldirektor. Wie hieß der noch? Hatte doch 'nen komischen Namen … Ach, richtig: Schmidle.
Jedenfalls – doli …
Zufrieden waren sie also, begeistert sogar. Theo selbst jedoch saß stumm und in sich gekehrt. Da hatte er nun alles hinter sich, mehr noch, hatte die Ernte seiner Mühen, den ersten Erfolg eingefahren, aber Daumen und Zeigefinger zerbröckelten ein Stück Brot, die Mundwinkel zuckten wie an unsichtbaren Fäden gezogen, er antwortete brav wie ein Automat auf Fragen, hob auch das Glas, wenn man ihm zuprostete, nickte Rosi und selbst dieser Göre Evi zu – und doch, seine Gedanken waren woanders. Das Schicksal hatte wieder zugegriffen.
Nicht seines, das einer Unbekannten. Wie hieß sie noch? Irma Kröppe. – Sie war verschwunden.
Zweimal schon hatte er die Gärten und Terrassen des Mirtillo-Hofs umrundet. ›Lampo‹, Giuliettas Hofköter, war entschärft. Er lag da, verdaute und zuckte müde mit dem Schwanz. Sonst dunkle Büsche, schweigende Bäume – nichts.
»Irma?« rief er erstickt wie ein Liebender in die Nacht.
Keine Antwort.
Dabei hatte sich doch alles relativ gut angelassen. Die Lebensmüde aus Radwitz in Sachsen saß im Bus wie alle anderen Gäste auch. Nett war sie anzusehen, ein wenig weggetreten vielleicht, aber ganz adrett. Und gegessen hatte sie auch. Nicht viel vielleicht, so ein bißchen Herumgepicke, aber immerhin. Sie hatte ihm sogar einmal zugelächelt, als er sich erkundigte, ob denn alles in Ordnung sei. Und so war Theo beruhigt gewesen. Nachher, nach dem Essen, würde er sie sich mal vorknöpfen, nein, vielleicht doch lieber morgen. Ein Gespräch. Wie oft – er hatte es doch erlebt – können Verstehen und Entgegenkommen den Knoten lösen, den wir uns alle manchmal selber knüpfen …
Doch was nützten gute Absichten? Er hatte die Kröppe noch vorsichtshalber am eigenen Tisch plaziert, neben diesen netten Studiendirektor, der so viele interessante Geschichten zu erzählen wußte. Daß am Gardasee schon die Etrusker gesiedelt hätten und daß dann, als die Römer kamen, der berühmte Dichter Catull als erster die Schönheiten des Benacus, denn so nannten die Römer den See, gepriesen hätte. Ja, und dann Cäsar. Und nach ihm von Attila bis zu den Goten all die Barbaren, die hier einfielen.
Aber sie saß nur da, lächelte, blickte in ihr Glas und krümelte an ihrem Brot herum – so wie er es jetzt tat.
Nur als der Studiendirektor von Verona anfing und von dem machthungrigen Geschlecht der Scaliger berichtete, die ja damals im dreizehnten und vierzehnten
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