Sommer, Sonne, Ferienglück
es sich tatsächlich um Giulietta handelte. Vielleicht, daß er sich benommen fühlte, vielleicht lag es daran, daß das dichte grauschwarze Haar so merkwürdig auf dem Kopf zusammengezwirbelt war?
»Du? – Ja, was machst denn du?«
»Entschuldige, aber ich …«
»Pisciare?«
Theo nickte dankbar.
Sie sahen sich an.
»Das Bad ist gleich gegenüber.«
Das war es. Und riesengroß. Mit einer pompösen Uralt-Wanne, die vier bronzene Löwenfüße trugen.
Theo erledigte, was zu erledigen war, begegnete beim Händewaschen seinem Gesicht und erschrak bis ins Mark: Ein Kalkbrenner? – Sieht aus, als wärst du mit einer Dampflok zusammengestoßen!
Hastig warf er sich Wasser gegen das verbogene, blaurot eingefärbte Kinn. Und als er dann wieder hochblickte, war da noch ein Gesicht: Das Gesicht der Witwe Caprara.
»Armer Theo. Tut's weh?«
»War schon schlimmer.«
»Soll ich dir noch einen Umschlag machen?«
Theo schüttelte erschrocken den Kopf: »Einmal umkippen reicht.«
Ihre Mandelaugen färbte der Zorn dunkler, doch dann besänftigten sie sich wieder: »Red kein dummes Zeug. – Zeig mal!«
Er schob ihr die lädierte Kinnseite entgegen, und ihre Hände waren zart, angenehm, die ganze Frau war es. Und duftete dazu noch so schön nach Kölnisch Wasser.
»Heiß ist es nicht mehr. Also was du so alles fertigbringst …«
»Nicht wahr?«
»Unglaublich«, bestätigte sie, und er wußte nicht so recht, was er mit diesem halb forschenden, halb mütterlichen Blick anfangen sollte. Nun, er war ohnehin schon wieder bei seiner Idee: Wie war das nur? Also – ein Omnibus voll Gäste. Und alle sind sie fröhlich. Der Studiendirektor Kienzle erklärte ihnen gerade die Schönheiten von Verona … Gut, einen Studiendirektor kriegt man immer. Aber ob der Bus zu haben ist?
»Giulietta, wie spät?«
»Weiß nicht. Zwei, halb drei vielleicht.«
»Giulietta, ob ich den Zafirelli noch anrufen kann?«
Sie tippte lediglich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. Damit hatte sie recht.
»Kann ich dann mit dir reden?«
»Du mußt nicht reden, du mußt schlafen. Vorhin bist du umgekippt.«
»Aber es ist so wichtig. Ich kann sonst nicht schlafen.«
»Fängst du schon wieder an zu spinnen?«
»Was heißt spinnen? Es geht um morgen, Giulietta!«
»Na und?«
»Na und? – Ich hab noch keine Ahnung, wie ich die Leute verköstigen soll.«
Ihre Augen wurden rund. Zunächst war da nur Staunen, dann kam eine Art Schock: »Nein! – Ich?! Schon wieder? – Soll ich …«
»Natürlich nicht, Giulietta. Würde ich dir nie zumuten. Nur – ich bekomm diesen verdammten Koch nicht.«
»Merda!« stellte Giulietta fest.
»Richtig. Und da steckich bis zum Hals drin. Aber ich hab' da so eine Idee. – Sollen wir denn hier im Badezimmer …«
»Na gut, gehen wir in dein Zimmer.«
»Mein Zimmer? Wenn du wüßtest, wie dein Vittorio dort guckt. In dem Zimmer spukt's.«
Sie lachte. »Der? Der schafft so was nicht mehr. Gott sei Dank! – Na dann, komm.«
Und so setzten sie sich ins Wohnzimmer: Theo steil aufgerichtet auf das Sofa, während Giulietta in dem alten Sessel, in dem einige Stunden zuvor schon Hedwig Pauli ihre Schicksalsfäden zu entwirren versucht hatte, Platz nahm.
»Nun also«, sagte Theo, drückte beide Hände zusammen und blickte mit verschwollenem Kinn und aus flehenden Augen, »ich hatte da nämlich so eine Idee. Und wenn du mir dabei – ich weiß ja, es ist ziemlich viel verlangt, aber wenn du mir dabei helfen könntest, Giulietta, wäre ich vielleicht gerettet …«
***
Ein weißer Alfa raste über die Autobahn Brescia-Venedig. Rasen, das schaffen weiße Alfas allemal, vor allem, wenn sie von einem Italiener wie Michele d'Alessio gesteuert werden.
Aus dem Bordradio drang dezenter Gitarren-Rock. Christa, im Beifahrersitz, hielt die Hand aus dem Fenster und versuchte mit den heißen Handflächen ein wenig frische Luft einzufangen.
Mittag. Ein Uhr vorüber. Hitze über der Po-Ebene.
Gerade noch war die Autostrada voll gewesen, doch ›il tempo di mangiare‹ war ausgebrochen, die Essenszeit. Die ist heilig. Und so lag die Straße nun verwaist und leer, als sei der Krieg ausgebrochen.
»Hör zu, Michele!« Christa nahm einen neuen Anlauf. Bleib sachlich, mahnte sie sich, sachlich muß man Michele kommen. Und Sachlichkeit ist schließlich auch das einzige, das dir weiterhelfen kann. »Hör zu, ganz blöd bin ich ja nun doch nicht. Mir war von Anfang an klar: Das Hotel-Projekt ist der glatte
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