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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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schnell weiter. „Ich habe keine Sekunde geschlafen, seitdem er seine Absicht kundgetan hat, in die Catskills zu fahren, um seinen lange verschollenen Bruder aufzusuchen.“
    „Oh“, sagte Ross. „Granddad. Über ihn hast du dir Sorgen gemacht.“
    „Na, du etwa nicht?“
    „Natürlich. Hör mal, der Verkehr sieht ganz gut aus, ich sollte also in Kürze da sein. Wollen wir dann darüber sprechen?“
    „Sicher. Ich werde dir zum Dinner dein Lieblingsessen besorgen.“
    „Toll, danke.“
    Es entstand eine kurze Pause. „Ross?“
    „Ja?“
    „Hilf mir kurz auf die Sprünge“, bat sie. „Was ist noch maldein Lieblingsessen?“
    Er lachte laut auf; er konnte einfach nicht anders. Und er hatte schon gedacht, sie hätte vielleicht einen seltenen Anflug von Mütterlichkeit und würde sich wirklich Gedanken um ihn machen! „Alles, was nicht auf einem unterteilten Metalltablett serviert wird, ist für mich okay.“
    Den Rest der Fahrt nach Manhattan legte er zufrieden schweigend zurück. Er lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und schaute aus dem Fenster. Auf eine gewisse Weise war er dankbar für die Mutter, die er hatte. Ganz ehrlich. Er hatte durch ihr schlechtes Vorbild mindestens genauso viel gelernt wie andere Menschen von ihren guten Müttern.
    Winifred Lamprey Bellamy Talmadge war eine Gestalt, die sie selber erschaffen hatte. Da ihr das fehlte, was sie den richtigen Hintergrund nannte, hatte sie sich einfach eine ganz neue Persönlichkeit für sich ausgedacht.
    Nur wenige Menschen wussten, dass sie in einem heruntergekommenen Teil von Flatbush aufgewachsen war, in einer hellhörigen Wohnung über der Pfandleihe ihrer Eltern. Früh ihm Leben hatte sie gelernt, sich ihrer bescheidenen Wurzeln zu schämen und es sich zur Mission gemacht – so zumindest hatte sie es Ross erklärt, als er sie einmal danach gefragt hatte – in der Gesellschaft aufzusteigen. Sie hatte die Menschen der Oberklasse genauestens studiert und sich einen ultragebildeten Akzent angewöhnt, wie ihn nur die Schülerinnen der Eliteinternate sprachen – leicht nasal und wunderschön artikuliert. Sie hatte auch genau aufgepasst, wie die Reichen sich anzogen und aßen und verhielten. So war es ihr gelungen, zu verbergen, wer sie wirklich war.
    Sie vergrub ihr altes Leben und bestand darauf, Winifred statt Wanda genannt zu werden. Sie schwelgte förmlich in den Romanen der gesitteten Elite. Als Schülerin der Highschool setzte sie sich das Ziel, aufs Vassar College zu gehen – nicht so sehr, weil es sie nach der Ausbildung dort verlangte, sondern wegen der traditionell engen Verbindungen mit Yale. Sie wollteeinen Yale-Absolventen heiraten, und auf die Vassar zu gehen war der Weg dorthin. Mit der Konzentration und Entschlossenheit einer der besten Schülerinnen des Landes widmete sie sich der Highschool. Sie wusste, dass sie doppelt so hart arbeiten musste wie die privilegierten Mädchen von den Privatschulen. Und das tat sie auch, was ihr verschiedene lukrative Stipendien einbrachte. Dieser Einsatz, schwärmten ihre Lehrer. Diese Disziplin! Sie würde sicher etwas ganz Außergewöhnliches in ihrem Leben erreichen.
    Auf gewisse Art hatte sie das tatsächlich, das musste man ihr lassen. Es war nicht leicht, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen und innerhalb einer einzigen Generation mit reiner Willenskraft aus Flatbush an die Fifth Avenue aufzusteigen.
    Ross wusste all das über seine Mutter, weil sein Großvater es ihm erzählt hatte. Nicht um zu klatschen oder gemein zu sein, sondern um einem verletzten, trauernden Jungen eine etwas andere Sicht auf seine Mutter zu gewähren, die ihm nach dem Tod seines Vaters quasi den Rücken gekehrt hatte. Ross würde nie verstehen, wie jemand vor seiner Vergangenheit davonlaufen und die Person hassen konnte, die er wirklich war. Aber er hatte gelernt, mit der Paranoia und Ichbezogenheit seiner Mutter umzugehen, und sein Großvater hatte dafür gesorgt, dass es ihm im Laufe der Zeit nichts mehr ausmachte.
    Ross schaute aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. Erst die Mietshäuser und kleinen Holzhäuschen am Stadtrand, dann der Industriegürtel mit seinen kantigen Fabrik- und Lagerhallen und schließlich der Tunnel, der nach Manhattan hineinführte, lärmend und überfüllt, stinkend und voller Energie. Die Nachbarschaft seiner Mutter an der Upper Westside war eine ruhige Oase mit hinter schmiedeeisernen Zäunen verborgenen Eigentumswohnungen und Stadthäusern.
    Obwohl

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