Sommer unter dem Maulbeerbaum
offene Tür konnte Bailey ein schmutziges, zerwühltes Bett erkennen. Die geschlossene Tür öffnete sich einen Spalt, und das blasse Gesicht eines Mädchens, das vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre sein mochte, lugte hervor.
»Raus da!«, schrie Rodney, und das Mädchen trat ins Zimmer.
Bailey war erschüttert zu sehen, dass sie hochschwanger war. Sie sah nicht einmal alt genug aus, um schon zur High School zu gehen, geschweige denn, um ein Baby zur Welt zu bringen.
Als Bailey aufblickte, sah sie, wie Rodney sie beobachtete, und in seinem Gesicht spiegelte sich Stolz. »Meins-, verkündete er selbstgefällig. »Ich bin gut darin, Babys zu machen. Haben Sie auch welche?«
Bailey konnte kaum den Blick von dem Mädchen abwenden, das auf den Boden sah und auf weitere Anweisungen wartete.
»Haben Sie welche?«, wiederholte Rodney lauter.
»Was? Babys? Nein, ich habe keine Kinder.«
»Na, vielleicht kann ich Ihnen da behilflich sein«, meinte Rodney. »Vielleicht können Sie und ich ...«
Die Tür hinter dem schwangeren Mädchen wurde aufgerissen und heraus trat ein hübsches Mädchen von etwa fünfzehn Jahren. Sie hatte ein abgetragenes, aber sauberes Kleid an, auch ihre blonden Haare waren sauber und ordentlich.
»Sie will keine Kinder von dir, und wenn du sie anrührst, stehen die Bullen bald wieder auf der Matte«, sagte sie und reichte Rodney eine Dose Bier.
»Dich hat keiner gefragt«, fauchte Rodney. »Und wo ist ihr Drink?«
»Sie will um zehn Uhr morgens keine Dose warmes Bier. Oder, Lady?«
Bailey warf den beiden ein schwaches Lächeln zu. »Ich wollte wirklich nur ein paar Fragen stellen.«
»Über die Goldenen Sechs?«, fragte das Mädchen, und in ihrer Stimme schwang so viel. Spott mit, dass Bailey ganz perplex war. »Über die glorreichen Zeiten, als er noch kein nutzloser Penner war?«
»Raus hier!«, schrie Rodney. »Lass mich und meinen Besuch allein.«
Das Mädchen zuckte bei dieser Anweisung und der Lautstärke, mit der sie verkündet wurde, nicht mal mit der Wimper. »Du lässt sie in Ruhe, hast du verstanden?« Sie wandte sich an Bailey. »Wenn er Sie anfasst, dann schreien Sie laut, hören Sie?«
Bailey konnte nur schweigend nicken.
»Also schießen Sie los und stellen Sie ihm Ihre Fragen. Er weiß alles über diese sechs Jungs und wird den ganzen Tag nicht mehr aufhören zu reden, wenn Sie ihm nur zuhören. Sein Leben hat an dem Tag geendet, als Frank McCallum starb.«
Mit diesen Worten legte sie zärtlich den Arm um das schwangere Mädchen, führte sie aus dem Zimmer und machte die Tür hinter ihnen zu.
»Achten Sie gar nicht auf sie«, sagte Rodney, sobald sich die Tür geschlossen hatte. »Man würde meinen, eine Tochter hätte mehr Respekt vor ihrem Vater als dieses Mädchen vor mir hat. Die andere, Jüngere, das ist meine Frau.« Er sah Bailey an. »Und jetzt fragen Sie mich nur alles, was Sie wollen.« Er warf ihr einen bedrohlichen Blick zu. »Es sei denn, Sie haben vor, noch so ein schlimmes Buch über uns zu schreiben.«
»Nein, ich schwöre, dass ich kein Buch schreibe. Ich ...« Ihr fiel so schnell keine Lüge ein, die hätte erklären können, warum sie etwas von ihm wissen wollte. Und in diesem Augenblick konnte sie sich tatsächlich nicht mehr erinnern, warum sie da war.
»Diese andere, die Spangier, war von Neid zerfressen. Und Neid ist ein echt starkes Gefühl. Ich hab’s selbst nie empfunden, weil ich nie Grund hatte, auf irgendwen neidisch zu sein, wenn Sie verstehn, was ich meine. Ich hab mehr als genug gehabt, da brauchte ich nicht noch nach dem zu schielen, was andere hatten.«
Er sah Bailey an, als erwarte er von ihr zu hören, dass er immer noch ein gut aussehender Mann sei.
»Kannten Sie einen Jungen mit einer Hasenscharte?«, platzte sie heraus.
»Ein paar. Wollen Sie ein Bild von dieser T. L. Spangier sehen?«
Nein, eigentlich nicht, hätte Bailey gern erwidert, doch sie schenkte ihm nur ein winziges Lächeln.
Rodney legte - endlich - das Gewehr hin und ging zu einem alten Schrank in einer Ecke hinüber. Die Obertüren des Schrankes fielen beinahe aus den Angeln, doch vor den unteren Türen hing ein großes Vorhängeschloss. Rodney fasste in seine Hosentasche und zog ein Schlüsselbund mit einem Dutzend Schlüsseln hervor. Er steckte einen von ihnen ins Schloss, dann drehte er sich wieder zu Bailey um. »Hier kann man nicht vorsichtig genug sein, bei so verdammt vielen Kindern in der Nähe.«
Auch dieses Mal konnte Bailey nur ein Lächeln
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