Sommer unter dem Maulbeerbaum
einer?«
»Ich erklär dir alles später. Hör zu, ich schalte jetzt dieses Telefon ab, damit du die Nummer der Polizei geben kannst. Und du kannst wahrheitsgemäß angeben, ich hätte dir nicht gesagt, wo wir hinfahren beziehungsweise zu wem. Denk dran: Du weißt gar nichts .«
»In Ordnung«, erwiderte Rick und hörte sich wieder wie ein Sechsjähriger an. »Aber wieso ist James Manvilles Witwe nur hierher nach Calburn gekommen? Was ...«
»Muss Schluss machen«, sagte Matt und drückte auf den Knopf, der das Gespräch beendete. Dann betätigte er den Schalter an der Seite des Handys, um es zu deaktivieren.
Er blieb noch einen Moment im Bad und versuchte, sich zu beruhigen. Mord lag nicht in seinem Erfahrungsbereich. Ein Teil von ihm wäre jetzt gern in Panik geraten, doch er wusste, dass das nicht möglich war. Er musste einen klaren Kopf behalten, damit er überlegen konnte, was zu tun war. Sollten sie nach Calburn zurückkehren? Da er und Bailey den minderjährigen Alex zu Dolores geschickt hatten, würde man sie wahrscheinlich der Mittäterschaft beschuldigen.
Matt nahm sich noch ein paar Minuten Zeit, dann verließ er das Bad wieder. Bailey saß aufrecht im Bett und wartete auf ihn.
»Was ist passiert?«, fragte sie mit ernstem Blick.
Matt überlegte hin und her, ob er es ihr sagen sollte oder nicht, doch sie war eine erwachsene Frau und hatte die Wahrheit verdient. »Deine Schwester ist ermordet worden, und man hat Alex der Tat beschuldigt und in Haft genommen. Die Polizei sucht nach dir, nach uns beiden. Wenn wir also von hier wegwollen, dann sollten wir das jetzt gleich tun.«
Bailey saß nur da und blinzelte zu ihm auf.
»Wie viel Bargeld hast du dabei?«, fragte er.
»Ich weiß nicht. Hundert vielleicht. Warum?«
Er konnte sehen, dass sie sich sehr anstrengte, um nicht zusammenzubrechen. »Weil wir mit dem Auto nach Atlanta fahren werden, und fürs Benzin müssen wir bar bezahlen. Wir können keine Kreditkarten benutzen, weil man die zurückverfolgen kann.«
Mit gefasstem Gesichtsausdruck sah Bailey ihn an, doch ihre Hände hielten die Bettdecke fest umklammert. »Sollten wir nicht nach Calburn zurückfahren, um Alex beizustehen? Warum sollen wir nach Atlanta fahren? Was kann uns eine uralte Frau - wenn sie nicht sowieso senil ist - schon erzählen, das Alex von Nutzen wäre?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Matt aufrichtig. »Aber wenn Manville dieser Frau genug vertraut hat, um das Dokument über eure Ehe bei ihr zu lassen, dann hat er ihr vielleicht noch mehr Informationen anvertraut. Hast du eine andere Idee, wie wir helfen könnten?«
»Nein«, bekannte sie langsam. »Nein, aber Alex muss solche Ängste ausstehen. Und meine Schwester ...«
Matt packte Baileys Arm und zog sie aus dem Bett. »Weinen kannst du später. Dann kannst du, wenn du willst, auch einen Nervenzusammenbruch haben -genau gesagt, werden wir beide einen haben -, aber jetzt musst du dich anziehen, packen und in die Gänge kommen.«
Zwanzig Minuten später saßen sie im Mietwagen, doch Matt ließ noch nicht den Motor an. »Ich will noch etwas überprüfen«, sagte er und stieg wieder aus. An der einen Seite der Bank neben dem Hotel befand sich ein Geldautomat. Er steckte seine Karte hinein und drückte ein paar Knöpfe.
Nach einigen Minuten kam er ins Auto zurück und ließ den Motor an. »Gesperrt«, sagte er. »Mein Konto wurde gesperrt.«
Bailey nickte nur und schnallte sich an.
29. KAPITEL
Martha McCallum war achtzig Jahre alt, sehr viel jünger, als Bailey und Matt sich ausgerechnet hatten. Neun Stunden hatten sie ohne Unterbrechung im Auto gesessen und am Spätnachmittag ihr Ziel erreicht. Aber da war es schon zu spät für einen Besuch im Altenheim gewesen. Sie hatten ihr gesamtes Bargeld für Benzin und Essen ausgegeben, daher konnten sie sich kein Motel mehr leisten. Matt lenkte den Wagen in eine unbefestigte Straße, wo sie sich aus dem restlichen Brot und Käse ein Abendessen bereiteten und eine Dreiliterflasche Mineralwasser teilten. Als die Sonne unterging, kuschelten sie sich auf dem winzigen Rücksitz aneinander und versuchten zu schlafen.
»Dein Fuß«, sagte Bailey.
»Oh ja.« Matt nahm seinen Fuß weg. »Vielleicht sollte einer von uns vorne schlafen. Oder einer könnte draußen übernachten.«
»Käfer oder Schaltknüppel«, meinte Bailey. »Ich kann mich nicht entscheiden.«
Er zog ihren Kopf auf seine Schulter und lächelte. Er war froh, dass sie schon wieder Witze machen konnte, denn
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