Sommer unter dem Maulbeerbaum
eins sieht.«
Bailey sah Matt erstaunt an. »Das tue ich nicht!«
»Und was war mit diesen Zwillingen im Supermarkt?«
»Das waren außergewöhnlich niedliche Babys«, verteidigte sich Bailey. »Und ich ...«
Marthas Worte brachten sie zum Schweigen. »Er hat Recht. Kinder. Luke hatte nicht die Absicht, ein eigenes Kind zu haben und zu riskieren, dass es seine Scharte erbte, deswegen hat er auf privater Basis eine Adoption in die Wege geleitet.«
Angesichts dieser Mitteilung wurde Bailey schwindlig. Sie setzte sich neben Matt aufs Sofa. »Adoption?«, flüsterte sie.
»Ja. Sie wissen doch, wie Luke war. Er arrangierte alles in kürzester Zeit. Am Tag des Flugzeugabsturzes war er auf dem Weg in einen der Staaten im Westen, um das Kind abzuholen. Er wollte Sie überraschen.«
»Es in einen Karton stecken und in Geschenkpapier einwickeln?«, bemerkte Matt sarkastisch.
>>Ja, das hätte Luke ähnlich gesehen«, bestätigte Martha, während sie Bailey beobachtete, die diese Neuigkeit erst verarbeiten musste. »Ich sagte ihm, er sollte Sie wie eine Erwachsene behandeln, und ihr beide solltet die Adoption gemeinsam in Angriff nehmen, aber Luke erwiderte: >Sprösschen ist zu sentimental. Sie würde ein ganzes Waisenhaus voller Sonderlinge adoptieren wollen. Aber ich bin zu egoistisch, mehr als einem von ihnen zu erlauben, ihre Aufmerksamkeit von mir abzulenken. Deshalb werde ich ihr ein kleines, blondes Mädchen mit blauen Augen besorgen.'«
»Das klingt genau nach ihm«, sagte Bailey und blinzelte ihre Tränen weg. Seit Monaten quälte sie sich nun schon mit Schuldgefühlen herum, Jimmy könnte so niedergeschlagen gewesen sein, weil sie ihn um die Scheidung gebeten hatte, dass er Selbstmord begangen hatte.
»Fühlen Sie sich jetzt besser?«, erkundigte sich Martha.
Bailey hatte einen Kloß im Hals und konnte deshalb nicht antworten, doch sie nickte energisch. Ja, sie fühlte sich besser. Sie hatte das Gefühl, die schwerste Last, die sie je getragen hatte, sei von ihr genommen worden.
»Dann war es also tatsächlich ein Unfall.«
»O nein«, entgegnete Martha. »Eva und Ralph Turnbull haben Luke umgebracht.«
Mit dem Taschentuch auf halbem Weg zu ihrer Nase hielt Bailey inne. Martha blickte von Bailey zu Matt.
»Atlanta und Ray?«, fragte Matt.
»So nennen sie sich jetzt, aber es sind immer noch Eva und Ralph.«
»Turnbull«, vergewisserte sich Matt. »Nicht Manville und nicht McCallum.«
»Lieber Himmel, nein!«, rief Martha. »Diese beiden Mörder haben nichts mit mir oder meinem Sohn zu tun - und sie waren auch nicht mit Luke verwandt.«
Matt und Bailey brauchten einen Moment, um zu verdauen, was sie da sagte.
»Phillip hat auch gesagt, er glaube nicht, dass Atlanta und Ray mit Jimmy verwandt wären.«
»Erpressung?«, fragte Matt.
»Ja. Erpressung. Wenn Luke sie nicht als seine Familie anerkannte und ihnen Millionen gab, wollten sie der Welt von seiner Kindheit in Calburn erzählen. Und wenn die Menschen von Lukes frühen Jahren erführen, hätte er möglicherweise das bekommen, vor dem er sich am meisten fürchtete.« Für die Antwort auf dieses Rätsel schaute Martha zu Bailey hinüber.
»Mitleid«, sagte Bailey. »Jimmy konnte es nicht ertragen, wenn er jemandem Leid tat.«
»Genau.«
»Da steckt doch mehr dahinter, nicht wahr?«, meinte Matt. »Bailey hat mir von einem -Mord, den man als Selbstmord bezeichnet hat* erzählt. Spielte er damit auf den Tod seines Vaters an?«
Für einen Augenblick drehte sich Martha um und schaute aus dem Fenster. Dann sah sie wieder zu Bailey. »Ich weiß nicht, ob ich die Geschichte erzählen soll oder nicht. Ein Teil von mir würde die Geheimnisse gern mit Luke sterben lassen. Er hat so hart dafür gearbeitet und so viel bezahlt, um seine Kindheit vor der Welt verborgen zu halten.« Sie hielt kurz inne, während sie die Tränen wegblinzelte. »Als ich aus dem Fernsehen von Lukes Tod erfuhr - niemand hatte mich telefonisch davon unterrichtet, weil niemand von meiner Existenz weiß -, da wusste ich, dass sie ihn getötet hatten. Luke hat eine Menge Leute erzürnt.«
»Ja«, bestätigte Bailey. »Davor habe ich ihn gewarnt. Manchmal hat er die Leute zutiefst verletzt.«
»Aber Luke war ja auch selbst so oft verletzt worden, dass er es nicht anders kannte«, erklärte Martha. »Für Eva und Ralph war es ein Leichtes, jemanden zu bestechen, der für Luke arbeitete, damit er sie über seine Aktivitäten auf dem Laufenden hielt. Als sie herausfanden, dass Luke im
Weitere Kostenlose Bücher