Sommer unter dem Maulbeerbaum
ihr die Armut ansehen, dass sie ins andere Extrem gefallen war. Niemand bekam Frieda Bailey je ohne Make-up und perfekte Kleidung zu Gesicht.
»Du bist ja ganz schön gewitzt!«
»Gewitzt genug, um zu erkennen, dass diese Burger gleich verbrannt sein werden, wenn du sie nicht runternimmst.«
Er gab ihr einen Kuss auf die Nase - und das war das zweite Mal, dass alle für drei Sekunden schlagartig innehielten, bevor sie ihre jeweiligen Aktivitäten wieder aufnahmen.
Bailey bemühte sich nach Kräften, so zu tun, als hätte sie nichts bemerkt, doch sie musste sich abwenden, um ihr Erröten zu verbergen. »Willst du wohl damit aufhören?!«, zischte sie Matt zu. »Sie werden noch denken, wir wären mehr als nur Hausgenossen.«
»Das können wir nun wirklich nicht dulden!«, spottete Matt, und sie merkte, dass ihm der Gedanke gefiel.
Als Matt verkündet hatte, die Burger seien fertig, war Bailey ein Stück zurückgetreten, hatte an Patsys scheußlichem Limonadenmix genippt und sie alle genau betrachtet. Sie sah zu, wie Patsy und Janice miteinander arbeiteten, aber kein Wort wechselten und jeden Blickkontakt vermieden. Am Picknicktisch saßen sie nebeneinander, machten aber nicht den Mund auf. Ein Teil von Bailey hätte gern gefragt, was das Zerwürfnis zwischen ihnen verursacht hatte, doch sie fürchtete zu hören, dass sie sich als Neunjährige um eine Barbiepuppe gezankt und geschworen hatten, nie wieder miteinander zu sprechen. Außerdem war es interessanter, den Grund nicht zu kennen.
Da alle mit der Situation vertraut zu sein schienen, war es wohl eine langjährige Fehde. Am komischsten war die Art, wie Janices jüngste Tochter Desiree damit umging. Bailey hörte, wie sie sagte: »Mami, du siehst so einsam aus, wie du da so allein stehst«, obwohl Janice nur ein paar Zentimeter von Patsy entfernt stand. Daraufhin richtete die Kleine ihre großen blauen Augen auf ihre Tante und sagte: »Du siehst so einsam aus, Tante Patsy. Hättest du nicht gerne jemanden bei dir?« Bailey musste sich abwenden, um nicht laut über das schelmische Verhalten des Kindes zu lachen.
Als Matt Bailey dann vorschlug, Patsy nach ihrem Nähzimmer zu fragen, war Bailey gar nicht mehr überrascht, dass Janice ihnen folgte.
Als sie und Matt vor dem Haus vorgefahren waren, war sie sehr beeindruckt gewesen. Es war ein großes und verhältnismäßig neues Haus - nicht älter als fünf Jahre. Sie hätte es als »zeitgenössischer Landhausstil« bezeichnet. Eine breite traditionelle Veranda verlief entlang der gesamten Länge des Hauses. Doch das obere Stockwerk besaß ein abgerundetes Mansardenfenster, eingerahmt von zwei quadratischen. Es war eine ausgesprochen angenehme Mischung aus Altem und Neuem.
Sie waren durch die Hintertür ins Haus gegangen. Als sie drinnen waren, blieb Patsy wie angewurzelt stehen und sagte kein Wort. Bailey war nicht sicher, was jetzt von ihr erwartet wurde.
Janice löste das Problem. »Sie wollen sich sicher Ricks Haus ansehen«, sagte sie. »Oder vielleicht sollte ich es lieber Matts Haus nennen.«
Bailey brauchte einen Augenblick, bis sie begriff. »Matt hat dieses Haus entworfen?«
»Ja, hat er«, erwiderte Patsy stolz. »Soll ich Ihnen sein Haus einmal zeigen?«
Bailey fasste das so auf, dass Patsy es für unhöflich hielt, mit ihrem eigenen Haus anzugeben, doch sie konnte mit Matts Entwürfen angeben. Es ist wirklich ein hübsches Haus, dachte Bailey, als sie hinter Patsy und Janice herging. Wie ein gut eingespieltes Duo teilten sich die beiden Frauen auf. Patsy zeigte ihr ein Zimmer, dann rief Janice sie, und Bailey ging zu ihr hinüber.
Auf einer Seite des Erdgeschosses befand sich eine weite, offene Fläche, die als Wohnzimmer, Esszimmer und Küche diente mit einem eingebauten Tisch sowie einer gepolsterten Bank. Die einzelnen Bereiche waren zwar nicht durch Wände getrennt, doch Matt war es gelungen, sie auf andere Weise voneinander abzugrenzen. Sowohl das Esszimmer als auch das Wohnzimmer waren teilweise zur oberen Etage hin offen. Trennwände schieden die Küche vom Wohnbereich.
Alles in allem strahlte das Haus viel Gemütlichkeit aus, Weite und gleichzeitig Nähe. Sie sprach all diese positiven Gedanken laut aus, behielt aber für sich, dass sie die Küche ausgesprochen scheußlich fand. Spüle und Kühlschrank standen an der hinteren Wand, in der Mitte befand sich eine Kochinsel mit einem elektrischen Herd. Auf der anderen Seite gab es eine Art Theke von vier Hockern umgeben. Um von der Spüle
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