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Sommerfalle

Sommerfalle

Titel: Sommerfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debra Chapoton
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schlossen.
    Er war es! Das Auto. Dasselbe Auto, das neben dem Verlies gestanden hatte, rollte langsam die Zufahrt hinauf. Sie konnte den Fahrer nicht erkennen, weil die Sonnenblende heruntergeklappt war.
    In gebückter Haltung schlich Rebecca ins Bad zurück und kauerte sich dort auf den Boden.
    Sie hörte, wie der Motor erstarb. Eine Tür wurde zugeschlagen. Schritte auf der Veranda, Klopfen an der Tür.
    »Ist jemand zu Hause? Hallo?«
    Die Stimme klang unbekannt. Markant. Ruhig.
    Warum ist dieser Perverse bloß hier? Hat er meine Spuren entdeckt?
    »Hallo? Hallo!«
    Geh einfach weg. Hau ab!
    Wenn es je an der Zeit war zu beten und erhört zu werden, dann jetzt, dachte Rebecca. Sie kauerte sich noch kleiner zusammen und flüsterte aus tiefster Seele ein Gebet.

Mike Sylver hatte im Mai seines zweiten Schuljahrs ein traumatisches Erlebnis. Er war mit den Wölflingen beim Zelten gewesen, und einer seiner besten Freunde sowie dessen Vater hatten ihn gerade bei sich zu Hause abgeliefert. Mr. Burling hatte Mike die Sachen getragen und sich mit ihm über den Ausflug unterhalten. Mikes Mom hatte sie an der Tür in Empfang genommen, und Mike war unter ihrem Arm durch getaucht, mit dem sie die Haustür aufhielt, während sie noch ein paar Worte mit Mr. Burling wechselte. Er ließ seine Sachen fallen und stürmte die Treppe hinauf.
    Von seinem Zimmer im ersten Stock sah er aus dem Fenster, er wollte Eddie schnell noch etwas zurufen. Aber stattdessen musste er mit ansehen, wie Eddie seinen eigenen Vater überfuhr, oder besser gesagt ihn an den Mauerpfosten zwischen den beiden Garagentoren quetschte. Vom Fenster aus erlebte er alles mit. Mr. Burlings Arme und Beine wedelten hilflos durch die Luft, während die Schnauze des Wagens ihn immer fester gegen den Pfosten drückte.
    Mit der wenigen Luft, die noch in seinen Lungen war, rief Mr. Burling etwas, doch Mike konnte es nicht verstehen. Er raste die Treppe wieder hinunter, schrie nach seiner Mutter um Hilfe und stürzte, so schnell er konnte, zur Tür hinaus. Dann rannte er um das Auto herum und hämmerte gegen die Scheibe der Fahrertür.
    »Eddie! Eddie! Stopp den Motor!«
    Im Wagen schluchzte Eddie heftig. »Ich weiß nicht, wie«, heulte er. Er schaltete den Scheibenwischer ein, den Scheinwerfer, den Blinker und brüllte die ganze Zeit über: »Daddy, geh da weg, geh doch weg!«
    Der Motor heulte erneut auf.
    Mr. Burlings Kopf war nach vorne gefallen. Mike lief nach vorne, packte die rechte Hand von Eddies Vater und zog mit aller Kraft. »Kommen Sie schon, Mr. Burling, kommen Sie doch!« Er zog so fest, wie es ein Zweitklässler eben vermochte. Dabei strömten Tränen über sein Gesicht. Für einen Moment öffnete Mr. Burling tatsächlich noch einmal die Augen. Eine Grimasse, als wenn er die Zähne bleckte, dann erschlaffte er vollkommen.
    Eddie hatte inzwischen die Hupe gefunden, die lang und laut ertönte. Mrs. Sylver war auf die Veranda gelaufen, hatte begriffen, was geschah, und stürzte zum Auto. Sie sprang von der Beifahrerseite hinein und versuchte, den Rückwärtsgang einzulegen, aber zuvor musste die Bremse betätigt werden, sonst funktionierte es nicht. Also benutzte sie ihre linke Hand, um die Bremse zu drücken und den Gang zu wechseln. Das Auto rollte zurück, dann bremste sie wieder und schaltete in die Parkstellung.
    Mike hielt immer noch die Hand von Mr. Burling, als dieser vornüber aufs Pflaster fiel. Seine Mutter versuchte, ihn beiseitezunehmen, aber er entwand sich ihrem Griff und begann, auf die Hand des Toten zu schlagen. »Wachen Sie auf, wachen Sie auf«, stieß er hervor. Mike hatte sich in die Hose gemacht.
    Ein Nachbar erschien und lief sofort wieder weg, um einen Krankenwagen zu rufen. Endlich ließ Mike sich von seiner Mutter ins Haus bringen. Jemand brachte auch Eddie herein, und so saßen die beiden hysterisch heulend auf der Couch, bis die Sirene des Krankenwagens sie vor Schreck verstummen ließ.
    Mr. und Mrs. Sylver schickten Mike sofort danach zu einer Therapeutin. Obwohl diese ihn ermutigte, sich weiterhin mit Eddie zu treffen, trennten sich ihre Wege.

    Als leidenschaftliche Englischlehrerin mit gut zwanzig Jahren Berufserfahrung konnte Mrs. Randazzo einem Schüler seine Sorgen ansehen, ohne dass sie seine Aufsätze las. Eddie Burling saß in ihrem regulären Englischkurs der Abschlussklasse. Es kam durchaus vor, dass sie Schüler, die sie schon in der Zehnten unterrichtet hatte, in der Zwölften wieder in ihren Kurs bekam. Sie freute

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