Sommerferien in Peking
angefangen, Jiaozi zu machen.
Durch die offene Tür höre ich die Stimme von Pings Papa: »Danke, dass Sie Lei das Malen gelehrt haben. Und dass sich Lei bei der Kunstakademie bewerben sollte, war wirklich eine gute Idee von Ihnen. Seine Mama war so verzweifelt ...« Dann höre ich Lao Ye antworten: »Keine Ursache. Ich habe nur mit Lei zusammen gemalt – und seine Bilder Herrn Qian gezeigt. Mehr nicht. Der meint auch, dass Lei sehr talentiert ist. Die Kunstakademie wäre genau das Richtige für ihn ...«
Ach so? Herr Qian – der Modern-Art-Künstler. War Lao Ye deswegen die letzten Tage wieder so beschäftigt?
Wir Kinder wollen natürlich auch beim Kochen helfen. Die Küche riecht schon nach den leckeren Füllungen. Lao Yerollt die kleinen runden Teigstückchen blitzschnell aus und wir packen die Füllungen hinein. Dann legt Mi Mi die fertigen Jiaozi ordentlich auf Holzplatten. Das ist wirklich Teamarbeit! Ich habe mit Ping versucht, ein paar Jiaozi wie Pinguine und Igel zu formen, und die hat Mi Mi gleich für sich reserviert.
»Bei euch ist vielleicht was los!« Mit diesen Worten kommt Onkel Peter durch die Tür.
»Onkel Peter!« Ich stürze mich sofort in seine Arme und wundere mich gleichzeitig: »Wie bist du hereingekommen?« Der Soldat, der den Eingang des Wohncompounds bewacht, muss doch dem Gastgeber Bescheid geben, bevor er Besuch reinlässt. Wie ist Onkel Peter zu uns gelangt, ohne dass wir vorher angerufen wurden?
»Tja, nichts ist unmöglich!«, erzählt Onkel Peter. »Ich habe zuerst versucht, den Soldaten davon zu überzeugen, dass ich eigentlich ein Chinese bin. Aber das hat er mir nicht geglaubt und dabei immer wieder meine blonden Haare angeschaut. Dann kam mir jedoch der Direktor des Instituts entgegen. Den kenne ich sehr gut durch ein Interview und die gemeinsame Arbeit an einem Dokumentarfilm. Er hat dem Soldat gesagt, dass ich eine gute ›große Nase‹, also ein guter Ausländer bin. Und plötzlich durfte ich einfach passieren.«
Das ist wieder so typisch. Onkel Peter bleibt einfach keine Tür verschlossen.
Als ich ihm Meister Zhao vorstelle, erzählt Onkel Peter ihm sofort die Geschichte von dem bösen Kerl im Park.
Ich schlucke. Ich hatte Meister Zhao extra nichts davon gesagt, weil ich an die 200 Kicks denken musste. Doch Meister Zhao lobt mich sogar.
»Nicht schlecht, Lisa!«, sagt er und kann sich dabei ein Lächeln nicht verkneifen.
»Normalerweise muss man viele Jahre üben, bevor man die Techniken richtig anwenden kann.«
Ping, dem ich natürlich ganz ausführlich davon erzählt hatte, flüstert mir ins Ohr: »Ich finde, dein Trick am Ende war das Allerbeste. Außerdem«, fügt Ping nun etwas ernsthafter hinzu, »sagt Opa immer, dass es nicht reicht, wenn ein Meister nur mutig ist und seine Kampfkunst gut beherrscht. Er muss auch findig sein. Sonst ist er doch nur ein kühner Held ohne klaren Kopf.«
Lao Laos Jiaozi sind ein Gedicht – wie immer. Aber als ich meine erste Jiaozi esse, beiße ich plötzlich auf etwas Hartes.
»Was ist das!?«, rufe ich. »Ich habe eine Erdnuss in meiner Jiaozi!! Mi Mi, hast du Erdnüsse in die Jiaozi getan?«
Aber Mi Mi zeigt mir nur ein schelmisches Grinsen. »Ich war es nicht. Lao Lao war es!«, protestiert sie laut und alle lachen.
»Warum lacht ihr so?« Ich schaue verwirrt hin und her, von einem zum anderen.
Meister Zhao sagt endlich: »Das hat bestimmt deine Lao Lao gemacht. Wenn man auf eine Erdnuss beißt, bringt das Glück für das ganze kommende Jahr. So sagen wir beim Frühlingsfest. Also viel Glück, Lisa!«
Jetzt beglückwünschen alle anderen mich auch.
»Ich wünsche mir nur, dass ich zum Frühlingsfest noch einmal kommen kann«, sage ich. »Ich möchte so gern Lao Laos Jiaozi-Party miterleben. Mama sagt, dass da immer ganz viele Leute eingeladen werden.«
Lao Lao meint kopfschüttelnd: »Das chinesische Frühlingsfest ist wie Weihnachten in Deutschland. Da bleiben die Familien unter sich. Partys mit Freunden macht man irgendwann anders.«
»Aber Mama sagt, dass ihr immer ganz viele Leute eingeladen und zusammen das chinesische neue Jahr gefeiert habt. Und du hättest immer die besten Jiaozi für die Party gekocht.«
»Oje, das ist aber schon lange her«, sagt Lao Lao nachdenklich. »Damals waren viele unserer Kollegen noch nicht verheiratet und wohnten sehr weit weg von zu Hause. Sie hätten das Frühjahrsfest ganz allein verbringen müssen und das wäre sehr traurig gewesen. So haben Lao Ye und ich solche
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