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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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verchromtes Smartphone hervor und brüllt: »Was is’?« Die Köpfe im Wohnzimmer drehen sich synchron vom Fernseher weg in Richtung Diddi.
    »Was? Ich versteh kein Wort. Warte mal!«
    Diddi nimmt das Telefon vom Ohr und schreit Richtung Wohnzimmer: »Mach mal den Scheiß da leise, ich versuche hier Geschäfte zu tätigen!«

    Das magere Mädchen im kurzen Rock nimmt die Fernbedienung, die neben ihr auf dem Sofa liegt, und drückt auf einen Knopf. Schlagartig erstirbt der Lärm.
    »Was?«, schreit Diddi in unverminderter Lautstärke in sein Edelhandy. »Wo fährst du da rum, ey? Ich verstehe kein einziges Wort! Was?« Kurz nimmt er das Gerät vom Ohr und verdreht die Augen. »Mann, ey, du hast nur mit Amateuren zu tun. Ich krieg die Krätze, ehrlich!« Und, wieder ins Telefon: »Also pass mal auf, ich kann dich kaum verstehen, aber wenn du mich hörst, dann sag ich dir, wenn du die Viecher hast, dann bring sie direkt zu dem Polen, komm nicht erst hier vorbei! – Was? – Na, weil das ’ne scheiß Idee ist! – Hallo? – Ach, verdammte Scheiße!« Diddi wirft das Handy quer durch die Diele gegen die Wand, wo es sich in seine Bestandteile auflöst. »Scheiß Technik, ey. Auf den Mond können sie fliegen, aber Funklöcher stopfen, das ist zu viel verlangt.«
    Fast hätte Stefan gelacht, denn die Formulierung »auf den Mond können sie fliegen« ist einer der Standards von Omma Luise, wenn sie sich mal wieder über die Zumutungen der modernen Welt aufregt. Ein einziges Mal wollte sie zum Beispiel, ermutigt und begleitet von Stefan, Geld aus einem Automaten ziehen, aber kaum war sie an der Reihe, nachdem sie sich in der Schlange die Beine in den Bauch gestanden hatte, schaltete sich das Gerät außer Betrieb, weil das Geld alle war. »Auf den Mond können sie fliegen«, hat sie gesagt, »aber wenn ich an der Reihe bin, sind sie pleite.«
    »Jutta!«, reißt Diddi Stefan aus seinen Gedanken. »Nimm die SIM – Karte aus dem Schrott da und dann bring mir das Samsung, was in meinem Zimmer neben dem Bett liegt.«
    Jutta gehorcht.

    »Okay, also, ihr holt jetzt den scheiß Schrank ab«, sagt Diddi, sichtlich bemüht, die Fassung zu wahren. »Aber macht mal nicht so’n Krach!« Diddi fährt sich mit der Hand durchs Gesicht und wirkt wie ein Politiker, der nach der sechzehnstündigen Sitzung eines Krisenstabes entscheiden muss, ob nun ausgeliefert werden soll oder nicht. »Ach, wisst ihr was?«, fährt Diddi fort. »Macht so viel Krach, wie ihr wollt, ich hör mir das nicht an. Ich lass mir irgendwo die Eier lutschen. Fernsehnachmittag mit Familie! War sowieso ’ne scheiß Idee!«
    Jutta reicht Diddi das neue Handy und die SIM – Karte.
    »Hättest du ja auch mal einsetzen können, du Kernphysiker! Aber nee, lass mal, ist wahrscheinlich besser, ich mach das selber. Du hast doch Finger wie Laternenpfähle!« Kopfschüttelnd geht Diddi schweren Schrittes die Treppe hinunter, auf seinen Schultern das Gewicht der Welt, die ihn nicht versteht und ihm nur auf den Nerven herumtrampelt.
    »Ja«, sagt Toto, »dann wollen wir mal!«
    »Nee, warte mal!«, sagt Jutta. »Ich wollte euch doch was zeigen! Hab ich deinem Kumpel doch gesagt!«
    Toto sieht Stefan an, Stefan nickt, Toto zuckt mit den Schultern, und sie folgen Jutta. Im Wohnzimmer ist es noch immer still. Die Familie hockt auf dem Sofa und wartet auf weitere Anweisungen.
    »Ihr könnt jetzt weitergucken, ihr Idioten! Diddi is weg!«, ruft Jutta ihnen zu. Und zu Toto und Stefan: »Ich sage euch, alles Amateure. Zu doof, um … Na ja, für alles eben.«
    Das magere Mädchen drückt wieder auf den Knopf an der Fernbedienung, und der Familienfilm geht weiter.
    Jutta öffnet die Tür zu einem engen, bis unter die Decke vollgestopften Zimmer. Eine Schrankwand, nicht unähnlich jener in der Nebenwohnung, nimmt beinahe die gesamte linke Wand ein. Unter dem Fenster, vor dem Heizkörper, steht ein Bett, und ansonsten finden sich hier vor allem Pappkartons jeder Größe, meistens von elektronischen Geräten wie Fernsehern, DVD – Playern und Videorekordern. Und mittendrin auf einem Tisch: ein riesiges Terrarium mit einem verdorrten Ast darin, fast verdeckt von einer faul zusammengerollten, viel zu großen, gefährlich dick wirkenden Schlange. Es ist nicht zu erkennen, wo das Tier anfängt oder aufhört, und Stefan will das auch gar nicht wissen.
    »Das ist sie!«, sagt Jutta voller Stolz. »Wollt ihr mal anfassen?«
    »Kein Bedarf«, sagt Toto, und auch Stefan schüttelt den

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