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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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mal rüber zu dem Holztisch neben dem Eingang des Vereinsheims und kauft für zwanzig Euro kleine rote Wertmarken, die ein älterer Herr in einem gestreiften Polohemd über einem trommelharten Altmännerbauch von einer großen Rolle abreißt. Dann streift Stefan ein wenig umher, bis er Thomas Jacobi entdeckt, Klassenkollege, Verteidiger, ganz guter Kerl, jedenfalls einer, mit dem man dann und wann in der Kneipe gesessen hat und dem man nicht aus dem Weg ging, wenn man ihn auf Partys auf sich zukommen sah. Läuft man jemandem von früher über den Weg, erwartet man ja immer, dass er dicker geworden ist, blöder, spießiger, uninteressanter, also genau wie man selbst, aber Thomas Jacobi sieht aus, als hätte er erst gestern Abi gemacht. Verwaschene Jeans, einfarbiges T-Shirt, Schweißband am rechten Handgelenk, die halblangen Haare fallen ihm ständig in die Stirn, sodass er sie mit einer eleganten Kopfbewegung wieder nach hinten werfen muss. Manchmal legt er sie auch mit der Hand hinters Ohr, und das hat ein bisschen was Weibliches. Unterm Strich sieht er aber aus, als wäre er Charlies Bruder, weil Charlotte Abromeit auch stets einen Look bevorzugte, der an eine Camel-Werbung gemahnte.
    Auch Thomas Jacobi fragt, was Stefan hier mache.
    »Das Elternhaus verkaufen?«, sagt Thomas Jacobi. »Ist nicht leicht, was?«

    »Ich mache mir keine Gedanken darüber«, sagt Stefan. »Ich weiß nicht, was ich mit dem Haus anfangen soll. Ich lebe in München. Und ich will kein Vermieter werden. Mal abgesehen davon, dass an dem Haus sicher eine Menge zu machen wäre, bevor man es vermieten könnte. Dafür habe ich kein Geld.«
    »Ach komm, hier laufen genug Leute rum, die für ein bisschen Bier, Frikadellen und Kartoffelsalat die Hütte abreißen und wieder neu aufbauen, wenn es sein muss.«
    »Und dann bin ich Vermieter und schlage mich mit den Nörgeleien der Mieter rum? Nein danke.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.«
    »Und du?«
    »Computer. Also technisches Zeug. Programmieren, Hosting und so was.«
    »Ich dachte, ihr Programmierer seid so lichtscheue Nerds! Zweiundsiebzig Stunden am Rechner, kein Tageslicht, aber zentnerweise Pizza.«
    »Und ich dachte, ihr Schauspieler liegt den ganzen Tag zugedröhnt im Bett, wälzt euch abends ein bisschen in künstlichem Schweineblut, kokst euch dann zu und bumst im Rudel.«
    »Ist eine ziemlich genaue Beschreibung meines Lebens.«
    »Ich wusste, ich mache was falsch.«
    Sie grinsen sich an, und Stefan lässt Thomas von seinem Bier trinken. Dann widmen sie sich dem Spiel, das gerade läuft.
    »Wer spielt da gerade?«, fragt Stefan.
    »Unsere C-Jugend gegen die vom TuS. Sieben zu eins für uns. Ist gleich vorbei.«
    Ein paar Meter weiter steht ein breitschultriger junger Mann in einem weißen Kapuzenpulli. Das Spiel gefällt ihmnicht. Er macht einzelne Bewegungen mit, stößt mit dem Kopf in die Luft und verpasst imaginären Gegenspielern Bodychecks.
    »Bisschen nervös, der Sportkamerad«, sagt Stefan.
    »Der regt sich schon die ganze Zeit auf. Ich glaube, da spielt sein Bruder mit. Bei der TuS, meine ich. Ist ein Freundschaftsspiel, aber der geht noch richtig steil, warte mal ab!«
    Auf dem fast kahlen, nur von einem dünnen, dunklen Haarfilm bedeckten Schädel des korpulenten Nervenbündels glänzt Schweiß. Speziell die Leistung des Schiedsrichters gefällt ihm nicht.
    »Ey, was pfeifst du für Scheiß, du Penner!«
    In einem verzweifelten Versuch, noch ein wenig Ergebniskosmetik zu betreiben, wird der Ball aus der Abwehr der TuS hoch und weit nach vorne gehämmert. Im Strafraum steigen zwei Spieler hoch, einer davon, der Angreifer, liegt hinterher am Boden, aber der Referee zeigt an: weiterspielen! Das ist zu viel für den Weißgewandeten: »Das war mein Bruder, du Arschloch!«, schreit er, beugt sich unter der Reling durch und läuft über die schmale Tartanbahn aufs Spielfeld, wo er sich nicht entscheiden kann, ob er sich auf den Schiri oder den Abwehrspieler, der seinen Bruder gefoult hat, stürzen soll. Mehrere Spieler von der TuS müssen ihn beruhigen. Vorneweg sein Bruder, dem die ganze Sache offenbar sehr peinlich ist. Kurz darauf ist das Spiel zu Ende.
    »Hier ist manchmal mehr los als in der Bundesliga«, sagt Thomas Jacobi und begleitet Stefan zum Bierstand.
    Dort streitet sich ein Mädchen mit der Frau am Zapfhahn, die Dieter Mehls vorhin Angelika genannt hat.
    »Mama, ein Bier macht mich noch nicht zur Säuferin!«

    Entnervt stellt Angelika ihrer Tochter einen Becher hin,

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