Sommerflimmern (German Edition)
und zwei Bier. Nur ein Haus weiter ist eine niedrige Mauer, auf der wir uns und unser Dinner ausbreiten. Während wir essen, beobachten wir die Leute, wie sie von einer Kneipe zur anderen ziehen, auf Fahrrädern den nächsten Club stürmen oder einfach nur in dieser lauen Sommernacht durch die Straßen bummeln. Gemeinsam spekulieren wir, woher sie kommen und wohin sie gehen, machen Witze über merkwürdige oder zumindest experimentelle Outfits und überbieten uns gegenseitig in gewagten Theorien. Das letzte Mal, dass ich so ausgelassen war, war mit Anna. Allerdings war ich da nicht halb so aufgeregt.
»Mist, ich habe kein Feuerzeug dabei.«
»Du rauchst?«
»Nee, für die Flaschen. Zum Öffnen … Warte, ich gehe schnell zum Laden und mache sie dort auf.«
Er schnappt sich die Flaschen und springt auf, hält aber noch einmal inne und dreht sich zu mir um.
»Nicht weggehen.«
»Zu Befehl«, sage ich und salutiere lachend.
Ich streiche mit beiden Händen mein Haar glatt und ziehe das Zopfband nach. Dabei ziept es in meinem Nacken. Ich blicke Richtung Hot-Dog-Laden und mache prompt, was ich sonst nur vor dem Schlafengehen mache. Mit einem Zug löse ich den Zopf aus dem Gummi, schüttele mein Haar kurz mit einer Hand im Nacken durch und genieße dann das Gefühl, dass nichts mehr ziept. Sogar, dass die Spitzen meiner Haare meine nackten Unterarme kitzeln.
Als ich wieder aufblicke, kommt Juan mit zwei geöffneten Flaschen in den Händen auf mich zu. Bis er wieder bei mir ist, wendet er nicht ein Mal den Blick von mir ab. Ohne ein Wort reicht er mir meine Flasche und setzt sich links neben mich auf die Mauer, diesmal sind wir uns näher als vorher. Ich hebe meine Flasche, um einen Schluck zu trinken, dabei streift mein linker Arm seinen rechten. Ich kann seine warme Haut an meiner spüren. Wir beobachten beide schweigend das Getümmel auf der Straße. Langsam senke ich meinen Arm, wieder streife ich seinen. Ohne sie loszulassen, setze ich meine Flasche auf meinen Oberschenkel ab, so wie seine rechte Hand auf seinem Oberschenkel ruht. Angefangen von den Handgelenken bis hoch zu unseren Schultern berühren sich unsere Armenun, regungslos. Ich höre für einen Moment auf zu atmen, spüre dann, wie sich seine Schulter kurz hebt und senkt, geräuschlos atmet er einmal tief ein und aus. Ich möchte ihn ansehen, gleichzeitig aber nicht, dass dieser Moment endet. Für ewig könnte ich so neben ihm verharren, fühle mich in dieser Berührung wohl und entspannt. Dabei poltert mein Herz so heftig gegen meinen Brustkorb, als wolle es sich aus meinem Innern befreien. Im Augenwinkel bemerke ich, dass Juan mich nun ansieht. Ich drehe ihm mein Gesicht zu und hebe vorsichtig meinen Blick, der über seinen Oberkörper, über seinen Hals wandert und schließlich seinen Mund erreicht, der wieder ganz leicht geöffnet ist, ich spüre seinen Atem auf meinem Gesicht, ein wohliger Schauer fährt über meinen Rücken und dann wage ich es. Ich hebe meinen Blick die letzten Zentimeter zu seinen Augen, wo ich, ohne mich wehren zu können, mit einem Ruck in die Mitte des Strudels gezogen werde. Ich lasse mich tiefer und tiefer in das warme Braun seiner Augen gleiten, die goldenen Kränze um seine Pupillen scheinen zu pulsieren, sie beschwören mich, loszulassen, die Stelle über meinem Magen zieht sich zusammen, mein Herz rast, mein Atem stockt.
Juan lehnt sich sachte noch ein wenig näher herüber, unsere Gesichter berühren sich fast und ich spüre die Anspannung und den Druck seines Armes an meinem.
Juans Stimme ist ein sanftes, kaum hörbares Flüstern.
»Charlotte.«
Wieder zuckt es über meinem Magen. Ich möchte etwas antworten, doch ich schaffe nur einen tiefen Atemzug, in meinem Kopf drehen sich die Gedanken, schieben sich gegenseitig Worte zu, bis sie keinen Sinn mehr ergeben. Plötzlich fängt meine Tasche an zu brummen, um dann in ein immer penetranter werdendes Getüdel überzugehen. Es dauert einige Sekunden bis ich realisiere, dass mein Handy klingelt. Offenbar braucht Juan auch einen Moment, denn erst als das Klingeln selbst für den Hot-Dog-Verkäufer zu hören sein muss, lösen wir uns beide ruckartig aus unserer Position. Juan nimmt schnell einen Schluck aus seiner Bierflasche, ich wühle in meiner Tasche nach meinem Telefon. Als ich es finde, habe ich den Anruf bereits verpasst. Ich drücke auf die Tasten, um die Anrufliste anzusehen, die mir blitzartig einen nasskalten Schlag in mein Gesicht verpasst. Alexander. Er
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