Sommerflimmern (German Edition)
hat keine Nachricht hinterlassen. Noch während ich entsetzt auf das Display starre, erhalte ich eine SMS. Auch von Alexander.
Geht es dir gut? Melde dich mal.
Der Hot-Dog in meinem Magen dreht mehrere Loopings, mir wird schlecht. Ich stecke das Handy zurück in meine Tasche und drücke diese dann hinter verschränkten Armen fest an mich.
»Alles okay?«
»Klar.« Meine Stimme ist selbst für mich kaum zu hören.
Ich bemerke, dass Juan mich ansieht, doch ich gucke mir nur stur die Tram-Schienen auf der Straße an.
»Ich gehe jetzt wohl besser«, verkündet Juan plötzlich.
»Was?«, meine Stimme gewinnt wieder an Kraft, klingt aber dennoch eher wie ein Krächzen. Ich sehe Juan an, suche seinen Blick, doch er beobachtet nur seine eigenen Hände, wie sie nach und nach das Etikett seiner Bierflasche entfernen.
»Na, dann kannst du ihn in Ruhe anrufen«, erwidert er.
»Ihn? … Aber ich …« Ich mache einen tiefen Seufzer, bevor ich fortfahre. »Woher weißt du, wer das war?«
Juan stößt ein kurzes, spöttisches Lachen aus.
»Das ist jetzt wirklich nicht schwer zu erraten gewesen.«
Er sieht weiter auf seine Hände, das Etikett ist fast verschwunden. Sobald die Flasche nackt ist, wird er losgehen, da bin ich mir sicher. Ich löse meine Arme aus ihrer Verschränkung und lege die Tasche auf meine freie Seite. Ich möchte ihm sagen, dass er bleiben soll. Doch mir gelingt nicht einmal ein Laut. Stattdessen greife ich nach meiner Bierflasche, die neben meinen Füßen auf der Erde steht, und stürze den abgestandenen Rest hinunter. Nachdem ich meine geleert habe, sehe ich auf Juans Flasche. Das Etikett ist verschwunden. Reflexartig halte ich ihm meine Flasche hin. Er sieht mich mit großen Augen an, doch er braucht nicht lange, um zu verstehen und lächelt mich sanft an. Dann nimmt er mir die Flasche aus der Hand und lässt sich von der Mauer gleiten.
Er wird gehen. Mir will nichts einfallen, das ich ihm sagen könnte. Ich weiß ja nicht einmal, was ich ihm sagen möchte.
»Ich bringe kurz die Flaschen zurück«, sagt er und geht ohne Zögern, aber auch ohne Eile los.
Ich sehe ihm hinterher. Und wie er im Laden verschwindet, weiß ich plötzlich, was zu tun ist.
Eine Minute später kommt er zurück und bleibt vor mir stehen.
»Also dann … ich gehe jetzt mal los«, sagt er leise und sieht dabei abwechselnd auf mich und dann auf seine Schuhe.
Ich nehme einen tiefen Atemzug und frage ihn. »Und was machen wir morgen?«
»Bist du dir sicher?«
»Ja.«
A ls ich nach Hause komme, ist Anna noch nicht da. Ich schlüpfe schnell in das Ramones -Nachthemd, dann unter meine Bettdecke. Im Liegen antworte ich Alexander mit einer SMS.
Es geht mir gut. Gib mir Zeit. Ich melde mich.
Dann schalte ich das Licht aus, doch als ich die Augen geschlossen habe, kann ich mein schlechtes Gewissen durch die Matratze klopfen hören. Ich drehe mich schnell auf die rechte Seite und warte auf den Schlaf.
A m nächsten Morgen ist es Anna, die mich wach rüttelt.
»Charlotte … aufwachen … deine beste Freundin will Details!« Sie lacht mir vergnügt entgegen, während sie mich wild hin und her schaukelt, bis ich fast vom Sofa falle.
»Hey, verschwinde, du Verräterin!«, gebe ich lachend zurück und ziehe mir dabei die Bettdecke über den Kopf.
»Verräterin? Du meinst wohl Retterin … Jetzt erzähl endlich! Los, in die Küche, ich mache Kaffee.«
»Oh, du nervst … Aber mit extra viel Milchschaum!«
Nachdem ich mich noch x-mal darüber beschwert habe, dass Anna mich am Vorabend so hinterlistig der Verabredung mit Juan ausgesetzt hat, erzähle ich ihr alles. Dabei sieht sie mich mit großen Augen an und grinst so unverschämt, als würde sie die ganze Geschichte schon kennen.
»Und dann?«
»Dann habe ich ihn gefragt, was wir heute machen.«
»Echt? Wow. Das sieht dir gar nicht ähnlich …«, sagt Anna und ihre Augen sind fast noch größer als vorher.
»Ich weiß. Ich fühle mich auch ganz furchtbar deshalb.«
»Furchtbar? Und wieso grinst du dann, als hättest du gerade den Jackpot geknackt?«
Ich lege mir sofort die Hände vor mein Gesicht.
»Das täuscht. Ich grinse nicht. Ich habe … Heuschnupfen.«
Anna prustet los, kriegt sich gar nicht mehr ein. Ich nehme die Hände vom Gesicht. Mein Grinsen ist verschwunden.
»Anna, jetzt mal im Ernst. Bin ich eigentlich bescheuert? Ich kann mich doch nicht weiter mit Juan treffen, während Alex die ganze Zeit nur darauf wartet, dass ich zu ihm komme und
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