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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Ihre erste Amtshandlung, nachdem sie die Vorstellung von Seans Verschwinden verinnerlicht hatte, hatte darin bestanden, den Kontostand zu überprüfen.
    Joe Holmes zog ein zweites Blatt Papier aus dem Aktenordner. Er zögerte, dann reichte er es ihr. »27000 Dollar«, sagte er. »Girokonto, Sparkonten, Geldmarkt.«
    »Das ist eine Menge«, sagte sie, die Worte ihres Mannes wiederholend. Sie hatte mit mehr gerechnet.
    »Keine Aktien, Anleihen, andere Investitionen?«
    »Es gab heftige Kursschwankungen. Sean ist sehr risikofreudig bei seinen Kapitalanlagen. Wir mussten einige empfindliche Verluste hinnehmen. Aber er spart fürs College – für drei Kinder.«
    »Und er hat ein Faible für sein Boot, für das Spielcasino, für …«
    Bay hob den Blick, wartete, ob er »andere Frauen« sagen würde.
    Aber er tat es nicht. Der FBI -Agent wirkte müde, erhitzt und mitfühlend, als bedaure er die ganze Situation und wünschte sich nur, endlich Feierabend machen zu können. Ob er wohl Frau und Kinder daheim hatte? Er trug keinen Ring … Die Meeresbrise hatte nachgelassen. Die Luft im Haus schien stillzustehen, und Bay hatte plötzlich das Gefühl, als würde sie austrocknen und sich in Staub verwandeln.
    »Was glauben Sie, wo er steckt, Bay?«, fragte er.
    Sie saß stumm und reglos da, starrte die beiden Kontoauszüge an. Sie hatte in den vergangenen Tagen selbst ihre Berechnungen angestellt, wieder und wieder. Mit den Hypothekenzahlungen, Versicherungsprämien und Steuern, Haushaltskosten, Strom und Heizung, sobald es kalt wurde, und bei sparsamer Benutzung der Kreditkarten würden die Ersparnisse ungefähr fünf Monate reichen.
    Wie lange würden Sean die 175000 Dollar reichen, und wo mochte er das Geld gelassen haben?
    »Ein Vertrauensbruch ist eine niederschmetternde Angelegenheit. Herzzerreißend. Als wenn man in den Grundfesten erschüttert wird.«
    Bay fragte sich, ob er über die Bankkunden sprach. Oder meinte er sie und die Kinder?
    »Wer ist ›Ed‹?«, fragte er.
    Bay runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nie gehört.«
    »Ich muss Sie noch etwas fragen. Was hat Sean mit ›das Mädchen‹ gemeint?«
    Das Mädchen
. Die Worte klangen vertraut, und Bay erinnerte sich an den Aktenordner in Seans Boot. Es geht um Seans Kritzelei, dachte Bay; ihr Puls beschleunigte sich, als ihr die Zeichnung von dem Lieferwagen und der Name Ed wieder einfiel.
    »Keine Ahnung.« Bay spürte, dass er sie aufmerksam beobachtete, wusste aber nicht, warum. »Könnte das etwas mit einer unserer Töchter zu tun haben?«
    »Ich glaube nicht.«
    Er denkt, »das Mädchen« sei eine andere Frau, und wahrscheinlich hat er Recht, überlegte Bay und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Eine leichte Brise bauschte die weißen Gardinen vor dem Panoramafenster auf. Sie brachte den salzigen Geruch des Meeres und der Marsch mit sich, den frischen Duft der Strandnelken und Strandrosen. Bay hörte Taras und Annies Stimmen, die von der anderen Seite der Marsch herüberdrangen, und hatte das Gefühl, dass Tara über sie wachte.
    »Vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas ein«, sagte Joe und schob die Papiere behutsam in den Ordner zurück. »Etwas, das uns hilft, ihn zu finden.«
    Wen finden? Hätte sie am liebsten gefragt. Sie sollte Joe Holmes bei der Suche helfen, aber nach wem? Diesen Sean McCabe kannte sie nicht. Und schlimmer noch, sie kannte sich selbst nicht mehr. Im Verlauf ihrer Ehe hatte sie allem Anschein nach eine Vereinbarung mit sich selbst getroffen, die Augen vor allen Unannehmlichkeiten zu verschließen, fünf gerade sein zu lassen. Dichtzumachen.
    Denn wie hatte das alles ohne ihr Wissen geschehen können?
    »Wenn ich etwas wüsste, würde ich es Ihnen sagen«, erwiderte sie ruhig, damit er nicht den Anflug von Panik bemerkte, der sie überkam.
     
    Als Joe Holmes rückwärts aus Bay McCabes Einfahrt fuhr, sah er Tara O’Toole, die ihn von ihrem Haus auf der anderen Seite der Marsch beobachtete – Bay McCabes
»consiglière«.
Ihre Augen waren dunkelblau und ihr Blick selbst auf diese Entfernung so durchdringend, dass ihm ein Schauder über den Rücken lief – Bay hatte eine Freundin, die durch dick und dünn mit ihr ging. Joe konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie am liebsten über das Watt gesprintet wäre, um ihm die Leviten zu lesen.
    Er hätte Tara gerne gestanden, dass er diesen Teil seiner Arbeit am meisten hasste – anständige, unbescholtene Menschen über die kriminellen Aktivitäten

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