Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
Kaffee, doch beim Anblick ihrer Freundin, die in Tränen aufgelöst war, eilte sie herbei.
    »Das war eine nette Geste.« Bay zitterte. »In Anbetracht dessen, was Sean in der Bank verbrochen hat.«
    »Sie machen dich doch nicht dafür verantwortlich. Das tut niemand.«
    »Warum hat er das gemacht? Es geht nicht in meinen Kopf.«
    »Vor allem sieht es Sean überhaupt nicht ähnlich«, sagte Tara und legte die Arme um sie.
    Bay schloss die Augen und weinte lautlos an Taras Schulter. Sie konnte das alles nicht fassen. Sean würde nie wieder mit den Kindern Baseball oder Basketball spielen, sie nie wieder auf einen Bootsausflug mitnehmen. Er war so lebenslustig gewesen, und nun war er tot. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das Leben ohne ihn weitergehen sollte, dass die Kinder ohne ihn aufwachsen würden. Dass sie ihn nie wiedersehen würde. Nie mehr seine Stimme hören würde …
    Als sie sich von Tara löste, um sich die Augen zu trocknen, sah sie, wie Dan und Eliza Connolly den Raum betraten.
    »Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte sie tief bewegt, als die beiden näher traten.
    »Es tut uns so leid, Bay«, sagte Dan.
    »Ich weiß, was Sie durchmachen«, fügte Eliza hinzu. Sie war ganz in Schwarz gekleidet: ein langärmeliges Ballett-Trikot, knöchellanger enger Rock, Onyx-Halskette. Die lavendelfarbenen Halbmonde unter ihren Augen, die von der blassen Haut abstachen, verrieten Bay, dass sie jemanden vor sich hatte, der ebenfalls Schlafprobleme hatte.
    »Ja, das glaube ich.« Bay erwiderte ihren Blick und ergriff spontan ihre Hände. Sie fühlten sich eiskalt und knochig an; Bay hätte sie gerne eine Weile gehalten und gewärmt, und Eliza schien dem nicht abgeneigt zu sein.
    »Für Ihre Kinder ist das bestimmt schrecklich«, sagte Eliza.
    »Ja«, erwiderte Bay mit brechender Stimme.
    Elizas Blick schweifte suchend durch die Küche, nahm alles wahr: die Fotos und Zeichnungen und Merkzettel, mit Magneten an der Kühlschranktür befestigt, die Bälle und Schlaghölzer neben dem Seiteneingang, die große grüne Flasche, in der das Wechselgeld gesammelt wurde, den Eichentisch, auf dem die Zuckerdose mit dem Weidenmuster von Bays Mutter und kobaltblaue Pfeffer- und Salzstreuer standen.
    »Annie«, sagte Eliza. »Anne. Ihr Name stand in der Zeitung. In der Todesanzeige. Sie hat das Gedicht aufgesagt. Sie dürfte in meinem Alter sein.«
    »Ja.« Bay spürte eine geradezu magische Verbindung, selbst als Eliza ihre Hände zurückzog. »Möchtest du sie kennenlernen?«
    Eliza nickte. »Ja.«
    »Ich bringe dich in ihr Zimmer.«
    »Nicht nötig.« Eliza blickte sich in der Küche um – blickte über ihren Vater hinweg, der sie eindringlich musterte –, betrachtete die anderen Leute, die herumstanden und sich mit gedämpfter Stimme unterhielten. »Ich finde den Weg alleine.«
    »Ihr Zimmer ist oben«, sagte Bay. »Die zweite Tür links.«
     
    Eliza ging durch das Haus.
    Sie war noch nie hier gewesen, aber sie wusste alles über die Menschen, die hier lebten. Sie waren die neuen verlorenen Seelen.
    Im Bruchteil von Sekunden, nicht länger als ein Wimpernschlag, hatte sich das Leben dieser Familie ein für alle Mal verändert. Sie nahm die auf Hochglanz polierten Fußböden, die bunten Webteppiche, die Sporttrophäen auf den Bücherregalen und die Aquarelle an den Wänden mit den heiteren Küstenszenen wahr: Leuchttürme, Strände, Boote, Wellenbrecher.
    Sie fragte sich, ob die Familie jemals die idyllischen Gemälde betrachtete und dabei an die ermordeten Mädchen dachte, deren Leichen letztes Jahr in den Wellenbrechern gefunden worden waren, an die gesunkenen Schiffe, die von den Wirbelstürmen hinweggeschwemmten Strände.
    Ihr Herz war schwer, weil sie wusste, das sich solche düsteren Gedanken nun einstellen würden …
    Als sie zu Annies Tür auf der linken Seite gelangte, stand sie einen Moment reglos da. Der Gang im ersten Stock war kühl und dunkel. Licht fiel durch eine offene Tür, aber Eliza stand im Schatten. Wie ein Detektiv, das Ohr gegen die schwere Tür gepresst, schärfte sie sämtliche Sinne und spürte sogleich Annies Anwesenheit im Zimmer – den Kummer, der bis zu ihr drang.
    Sie überlegte, ob sie später wiederkommen sollte, aber irgendetwas sagte ihr, dass der Zeitpunkt genau richtig war, und so klopfte sie an.
    »Annie?«, fragte sie, als ein Mädchen die Tür öffnete.
    Sie war pummelig, und ihre Augen waren – wie in den Kindergeschichten – groß wie Untertassen. Sie trug die gleiche

Weitere Kostenlose Bücher