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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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noch geprahlt. Die Ärmsten waren völlig hinüber.
    »Ihr Schlappschwänze lasst die Köpfe hängen«, sagte Augusta geringschätzig, über ihren schwarzen Weißdorn-Gehstock mit Silberknauf gebeugt. Sie seufzte. Sie hatte gelernt, auch die weniger robusten Exemplare zu schätzen und schützen, sogar in der Pflanzenwelt. Seit ihr Ex-Schwiegersohn, der garstige, inzwischen hinter Schloss und Riegel sitzende Simon, ihre Tochter Skye angegriffen und Augusta, die sich dazwischenwerfen wollte, eins über den Schädel gezogen hatte, war ihre rechte Körperhälfte so geschwächt, dass sie einen Gehstock brauchte. Das einzig Positive daran war – und nach Augustas Ansicht hatte
jede
Situation ihre Licht- und Schattenseiten –, dass sie dadurch mehr Einfühlungsvermögen für alle Kreaturen entwickelt hatte.
    Mit Ausnahme der niederen Kreaturen männlichen Geschlechts.
    Augusta hatte kein Verständnis für Männer – auch nicht für Frauen, nebenbei bemerkt –, die anderen Schaden zufügten. Simon war ein Paradebeispiel für das Unheil, das ein Mensch anrichten konnte, aber er war beileibe nicht der einzige Schurke.
    Sie warf abermals einen Blick auf ihre verwelkten Geranien in ihren Kübeln und ging humpelnd durch die Fliegengittertür in die verhältnismäßig kühle, weitläufige Eingangshalle im vorderen Trakt des Hauses. Ein Ventilator an der Decke bemühte sich nach Kräften gegen die Hitze. Hugh, ihr angebeteter, verstorbener Ehemann, hatte die Werke von Somerset Maugham und Noël Coward geliebt; er hatte das Anwesen sogar nach Cowards imposantem Herrensitz auf Jamaica »Firefly Hill« genannt. Augusta vermutete, dass Noël ebenfalls Deckenventilatoren geduldet hatte, die der Meeresbrise auf die Sprünge halfen.
    Hugh war Maler gewesen, vom Format eines Hassam oder Metcalf – das Beste vom Besten, was Amerika an Impressionisten zu bieten hatte. Er hatte ein Bohemeleben geführt, wild und ungezügelt. Sammler hatten auf Anhieb seine Bedeutung erkannt, und Hugh war einer der wenigen Künstler gewesen, die noch zu Lebzeiten reich wurden. Umsichtige Investitionen und schlaue Finanzberater hatten den Wohlstand der Renwicks in ein sagenhaftes Vermögen verwandelt.
    Einer dieser Berater war Sean McCabe gewesen.
    Augusta setzte ihren Weg durch die Eingangshalle fort, durchquerte das Wohnzimmer, vorbei an den Porträts, die Hugh von seinen drei Töchtern gemalt hatte, und betrat ein kleines Arbeitszimmer im Westflügel des Hauses. Durch die hohen Fenster drang keine Morgensonne herein. Der Raum war anheimelnd, wie geschaffen für Winterabende am offenen Kamin. Bücher säumten jede einzelne Wand.
    Augusta lehnte sich zur Türschwelle hinaus, um zu lauschen, wo sich Tara, ihre Reinigungskraft, befand. Sie war oben – Augusta hatte nach wie vor ein scharfes Gehör und konnte das leise Rumpeln des Kehrichtbesens gegen den senkrechten, hinteren Teil der Treppenstufen ausmachen. Es würde mindestens zehn Minuten dauern, bis sie die Treppe bis zur untersten Stufe gefegt hatte und zur Tür hereinkommen würde.
    Augusta ging zu dem Bücherregal, das Gedichte und Dramen enthielt. Die Bücher an allen vier Wänden des Arbeitszimmers waren nach Themen geordnet. Die bei weitem umfangreichste Sammlung enthielt Kunstbücher, etwa zwanzig Biografien und Bildbände über Hugh und sein Werk inbegriffen, und weitere fünfzig Bände, die sich mit der Künstlerkolonie von Black Hall im Allgemeinen und den Malern befassten, die hier Rang und Namen hatten.
    An einer anderen Wand waren historische und wissenschaftliche Werke aufgereiht, mit deren Hilfe man Vögel, Gestirne, Muscheln und Fische bestimmen konnte, die es in der Gegend um Black Hall gab, aber auch anspruchsvolle und kompakte Werke über Geologie und Geophysik der östlichen Meeresküste.
    Doch es waren die Gedichte und Dramen, denen sich Augusta nun zuwandte. Sie hatte ein Faible für jede Form von Bildung, aber die Poesie liebte sie besonders. Sie streckte die Hand nach dem abgegriffenen, oft gelesenen Band mit den gesammelten Werken des Barden heraus, der auf dem dritten Brett ganz rechts stand. Als Augusta ihn herauszog, klickte es, und das Bücherregal schwang nach außen und enthüllte einen verborgenen Safe.
    In aller Eile, da Tara jeden Moment auf der Bildfläche erscheinen konnte, um wie jede Woche den Raum zu putzen, stellte Augusta die Zahlenkombination ein, die einfach und leicht zu merken war: die Geburtstage ihrer Töchter – zuerst der Monat, dann der

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