Sommerglück
Es ist schrecklich. Einfach schrecklich! Beinahe so schrecklich wie die Blätter, die sich rot färben!«
»Ach Peggy.« Bay schloss sie in die Arme. »Du magst doch den Herbst. Das war immer deine liebste Jahreszeit. Warum findest du ihn dieses Jahr so grauenvoll?«
»Wegen Daddy«, schluchzte Peggy und umklammerte Bays Hals. »Weil ich ihn nicht im Sommer zurücklassen will. Ich möchte, dass er das ganze Jahr bei mir ist. Er wird nie mehr die Blätter fallen sehen, Mommy – niemals! Ich möchte, dass der Sommer nie vergeht.«
Bay hielt Peggy in den Armen, wiegte sie hin und her, während beide weinten. Bay spürte die heißen Tränen ihres Nesthäkchens und wusste nicht, wie sie diesen neuen Kummer verkraften würde. Es herrschte ein ständiges Auf und Ab, mit mehr oder weniger Traurigkeit. Sie dachte an die Jahre, die vor ihnen lagen, an jeden nächsten Schritt, den Sean verpasste – und dass die Kinder ihn schmerzlich vermissen würden.
Als Peggy vom Weinen erschöpft war, küsste Bay sie und bettete sie behutsam auf das Kopfkissen. Sie saß noch eine Weile bei ihr, bis ihr Atem gleichmäßig und ruhig wurde. Doch als Bay die Küche betrat, fand sie Annie in heller Aufregung vor. Sie hatte nicht mit Eliza sprechen können – ihr Dad war am Telefon gewesen und hatte ihr eröffnet, es sei etwas dazwischengekommen und sie müssten das Treffen am Samstag verschieben. Eliza habe »einen Tapetenwechsel« gebraucht.
»Was soll das heißen, Mom?«
»Schwer zu sagen. Vielleicht ist sie verreist und besucht jemanden.«
»Sie hätte mich anrufen und Bescheid sagen können.« Annies Unterlippe zitterte.
»Das wird sie bestimmt tun, gleich nach ihrer Rückkehr.« Bay nahm sie in die Arme.
»Falls sie sich überhaupt an mich erinnert«, flüsterte Annie an Bays Schulter.
»Keine Bange, mein Schatz. Das tut sie.«
Sie standen in der Mitte der Küche, und Bay wiegte ihre Tochter, während draußen die Grillen zirpten. Sie dachte an Dan, fragte sich, was wirklich geschehen war, ob er sich auch ständig Sorgen um seine Tochter machte wie Bay um ihre Kinder. Sie überlegte, ob sie ihn anrufen sollte, sobald die Kinder eingeschlafen waren, um sich zu vergewissern, dass mit Eliza alles in Ordnung war.
Um zehn hatte sie das Haus endlich für sich alleine. Als sie auf der hinteren Veranda saß, fiel ihr Danny wieder ein. Aber es war zu spät, um ihn anzurufen. Sie hatte keine Ahnung, was mit Eliza war, und wollte ihn nicht behelligen. Die Zeit hatte alles verändert, und es stand ihr nicht mehr zu, einfach so in seinem Leben aufzutauchen, wenn er es am wenigsten erwartete.
Sie dachte an den Sommer zurück, als sie fünfzehn gewesen war und Danny Connolly kennengelernt hatte. Ein perfekter Sommer. Sie war der großen Liebe ihres Lebens begegnet, ohne dass sie darauf gehofft hatte. Es war einfach passiert, als hätte dieses Gefühl in der Luft gelegen, und es hatte sie Tag für Tag zur Uferpromenade getrieben. Nie hatte sie so große Nähe zu einem Menschen empfunden; sie hatte keine Minute ohne ihn verbringen wollen.
Sie überlegte, wie töricht die erste Liebe anderen erscheinen mochte – abgestempelt als Schwärmerei eines Backfischs. Für sie waren der Sommer und der Point, die Promenade und der blaue Himmel eine herrliche Kulisse gewesen, um sich zum ersten Mal zu verlieben. Heute, fünfundzwanzig Sommer später, dämmerte es Bay, dass dieses Gefühl wahrhaftig und unvergänglich gewesen war, ihre Seele angesprochen hatte. Und sie erkannte, dass es prägenden Einfluss auf ihr gesamtes späteres Verhalten gehabt hatte.
Sie musste zugeben, auch wenn es ihr nicht leichtfiel, dass sie Sean immer mit ihm verglichen hatte. All die Jahre hatte sie gewartet, dass er endlich erwachsen würde, wie Danny. Dass sich seine Zügellosigkeit und sein Bedürfnis, über die Stränge zu schlagen, legte.
Als er ihr im letzten Winter geschworen hatte, sich zu bessern, hatte sie glauben wollen, dass es für sie beide noch eine Chance gab, ihre Ehe zu kitten. Doch der angerichtete Schaden war zu groß, und es war ihm nicht gelungen, auch nur eines seiner Versprechen zu halten. Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, sich zu ändern, hatte er Bay zu oft das Herz gebrochen, als dass sie es ihm wieder vorbehaltlos hätte öffnen können.
»Unsere Kinder lieben dich mehr, als du verdienst«, flüsterte sie zum Himmel gewandt, für den Fall, dass Sean es hörte.
Im Schein der Kerosinlampe versuchte sie, das vergilbte und abgewetzte
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