Sommerglück
war schrecklich. Und alles andere auch: die Zeitungen, das Fernsehen, all die Geschichten, die kursierten …«
»Die Leute am Strand, die sich das Maul über uns zerrissen haben«, sagte Billy.
»Die Geldsorgen«, ließ sich Annie vernehmen.
»Und dass du jetzt arbeiten gehen musst«, fügte Billy hinzu.
»Nein«, meinte Annie. »Das ist doch toll – sie wird Gärtnerin.«
»Werden wir unser Haus behalten können?«, fragte Billy.
Annie sah sie an, mit angehaltenem Atem.
»Wir behalten es. Das ist ein Versprechen«, sagte Bay.
»Wir könnten alle nach der Schule arbeiten gehen«, erbot sich Billy. »Um zu helfen.«
»Ich bin stolz auf dich, Billy. Und ich weiß, dein Vater wäre es auch.« Die Kinder versuchten zu lächeln, aber die Erinnerung war noch zu frisch. Bay küsste sie, und während Annie hinausging, um Eliza anzurufen, rannte Billy nach draußen, um die Sprinkleranlage im Garten einzuschalten.
Bay kam sich beinahe wie ein Schulmädchen vor, das dem ersten Unterrichtstag nach den Ferien entgegenfiebert. Ihre Kinder sahen dem September mit mehr Gelassenheit entgegen. Peggys Quallenbiss hatte ihr noch ein paar Tage Aufschub gewährt – nicht nur, weil es sich um eine Verletzung handelte, mit der nicht zu spaßen war, sondern weil ihre Jüngste so verschlossen wirkte, seit sie von Bays Berufsplänen erfahren hatte.
Bay betrat Peggys Zimmer. Es war in Dunkelheit gehüllt; Peggy war die Einzige in der Familie, die schwere Vorhänge liebte. Sie schien sich in den Schlaf zu flüchten wie in einen schützenden Kokon, sperrte das Mondlicht aus, die aufgehende Sonne, um die Traumzeit bis zum letzten Moment hinauszuzögern, bevor sie sich voller Energie in das grelle Tageslicht stürzte.
»Peg?«, sagte Bay leise, setzte sich auf die Bettkante und wischte sich über die Augen.
»Hallo, Mom.«
»Ich bin froh, dass du noch wach bist. Was macht der Quallenbiss?«
»Besser. Juckt nicht mehr so. Was gibt’s?«
»Ich wollte dich etwas fragen … Was hältst du davon, dass ich arbeiten gehen werde?«
»Hast du die Wildgänse gesehen, die heute Nachmittag über das Haus geflogen sind, wie ein ›V‹? Sie ziehen fort, wie jedes Jahr im Herbst, oder? Das möchte ich nicht, Mom. Ich möchte, dass dieses Jahr der Sommer bleibt.«
»Peggy …«
»Und die Blätter wechseln die Farbe. Das möchte ich nicht. Ich möchte, dass sie grün bleiben.«
Bay holte tief Luft, strich Peggy behutsam das Haar aus den Augen.
»Lass mal einen Moment die Blätter. Oder die Wildgänse. Würdest du mir bitte sagen, was du davon hältst, dass ich arbeiten gehe?«
Pegeen lag auf dem Rücken in ihrem Bett und sah ihre Mutter an. Sie zuckte die Achseln. Ihre Augen trafen sich, und trotz der Dunkelheit sah Bay Tränen darin glitzern. Sie ergriff die Hand ihrer Jüngsten. Über ihrem Bett hing ein Poster von
Playboy of the Western World
, Erinnerung an eine Aufführung des Connecticut College. Bay hatte sich im College mit den Werken von Synge befasst und im letzten Studienjahr die Pegeen in dem bekannten Bühnenstück gespielt.
»Das möchte ich nicht«, flüsterte Peggy.
»Nein?« Bays Herz sank.
Peg schüttelte den Kopf. »Ich finde es schön, wenn du zu Hause bist. Du
warst immer
zu Hause. Früher haben mir die Kinder leidgetan, deren Mütter nach der Schule nicht da waren …«
»Peggy, ich arbeite nicht rund um die Uhr. Ich erledige nur stundenweise Gartenarbeit für Mrs.Renwick. Du weißt, wo sie wohnt, oder? In diesem großen Haus auf der Klippe … erinnerst du dich? Ich habe dir von ihrem Mann erzählt, dem berühmten Maler, und den Bildern, die er vom Garten gemalt hat – ich möchte, dass er wieder genauso schön wird wie –«
»Du wirst für eine reiche Dame arbeiten.« Peggys Stimme war tränenschwer. »Und ich dachte, wir wären selber …«
»Wir wären selber reich?«
Peggy nickte. »Daddy war Bankmanager …«
Bay saß wie angewurzelt da, hielt Peggys Hand. Sie dachte an ihr hübsches Haus, die beiden Autos, Seans großes Boot, an die Kinderfahrräder, Brettspiele und Spielsachen. Was bedeutete das alles? »Wir sind auf eine andere Art reich. Auf die einzige Art, die zählt.«
»Warum willst du dann arbeiten gehen?«
»Weil man von dieser Art Reichtum keine Familie ernähren kann.«
»Ich wünschte trotzdem, es wäre anders. Ich
hasse
es, dass du arbeiten gehen musst.«
»Ich weiß. Aber ich tue etwas, was mir Spaß macht – Gartenarbeit. Das ist doch ein Glück.«
»Finde ich nicht.
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