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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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nicht?« Plötzlich konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten.
    »Nein, dein Nagel ist ausgesprochen hübsch.« Dan beugte den Kopf und hob den rechten Daumen an die Lippen, um ihn zu küssen.
    Bay weinte, benommen von dem Ansturm der Gefühle, und klammerte sich an seine Hand, als wollte sie nie mehr loslassen. In dem Augenblick öffnete sich der Vorhang, und eine junge Ärztin trat ein, mit einem strahlenden Lächeln und einer großen Nadel.
    »Hallo. Ich bin Dr.Jolaine.«
    »Hallo«, erwiderte Bay.
    »Hallo, Doc«, sagte Dan.
    »Vielleicht möchten Sie so lange draußen warten.« Der Doktor deutete auf die Patientin und die Nadel.
    »Das kann ich nicht machen.«
    »Nein?«, fragte die Ärztin.
    »Nein. Ich bin ein Mensch, der langfristig denkt und plant. Ich war früher schon einmal hier, um mich zu vergewissern, dass ihr rechter Daumennagel nicht rettungslos verloren war, und da ist es das Mindeste, dabeizubleiben und Acht zu geben, dass Sie ihre Hand anständig zusammenflicken.«
    »Nun, einige Leute können nicht dabei zusehen, wenn genäht wird, aber wenn die Patientin Ihren Beistand wünscht und es Ihnen nichts ausmacht –«
    »Macht es nicht.« Dan legte Bays Hand auf die Liege und berührte sanft ihre Schläfe. »Ich bin bei dir, Galway.«
    »Danke«, flüsterte sie.
    Und so schloss Bay die Augen und versuchte tapfer zu sein, so wie sie es ihren Kindern immer gepredigt hatte, wenn sie verletzt waren und ins Krankenhaus mussten.
    Auch Dan hatte sie ermutigt – wie ihr mit einem Mal wieder einfiel –, vor Ewigkeiten, als sie fünfzehn war und das Leben ein hoffnungsvolles Geheimnis, als sie sich mit dem Hammer auf den Daumen geschlagen hatte und ihre größte Sorge darin bestand, einen hässlichen Nagel zurückzubehalten.
    Dieser Zuspruch kam auch jetzt, mit sanfter, aber fester Stimme, und er erinnerte sie daran, dass sie stark war, und nicht so alleine, wie sie geglaubt hatte.
    »Sei tapfer, Bay«, sagte er, als ihr die Ärztin ein Betäubungsmittel in die Hand spritzte. »Du schaffst das.«
    Bay war sich dessen keineswegs sicher, aber sie würde es zumindest versuchen.

[home]
    16
    G enau eine Woche später, als die Schule begann und der Sommer endete – nicht der kalendarische Sommer mit der Tagundnachtgleiche, die den Herbst einläutete, sondern der echte Sommer mit Strandleben, Krabbenfang, Eis vom Süßigkeitenstand und endloser Freizeit –, sahen sich Annie und Eliza wieder. Dan hatte seine Tochter nach Black Hall gefahren, wo die Mädchen den Tag miteinander verbringen wollten.
    Eliza war blasser als je zuvor.
    Das war das Erste, was Annie bemerkte. Das Zweite war, dass sie abgenommen hatte, falls das überhaupt ging. Und das Dritte, dass feine, kaum sichtbare Narben wie Tentakel von Quallen kreuz und quer über ihre Unterarme, Handrücken und Waden verliefen. Einige waren alt und weiß, andere frisch und rot. Billy hatte recht: Eliza ritzte oder schnitt sich, litt unter Autoaggressionen.
    »Wo hast du gesteckt?«, erkundigte sich Annie, als sie den unbefestigten Weg zum Strand hinuntergingen. Nicht direkt an den Strand, natürlich. Sie hassten beide die Sonne, hielten sich im Schatten auf. Aber sie gingen, um etwas zu unternehmen, um den Argusaugen der Eltern zu entgehen.
    »Die Hand deiner Mutter ist ja immer noch bandagiert«, sagte Eliza, als hätte sie die Frage nicht gehört.
    »Ja, sie hat sich verletzt.«
    »Ich weiß. Von meinem Dad. Er hat sie in die Klinik gefahren.«
    »Genau wie damals, als sie ihm beim Bau der Uferpromenade geholfen hatte.«
    »Der edle Ritter in schimmernder Rüstung.« Eliza kicherte. »Gibt es die Promenade noch? Ich würde sie mir gerne anschauen.«
    »Also, wo hast du gesteckt?«, fragte Annie erneut.
    »Mein Dad mag deine Mom«, sagte Eliza rundheraus, und wich der Frage abermals aus.
    »Sie mag ihn auch. Sie liebt ihre alten Freunde.«
    »Was wäre, wenn sie mehr sind als das? Wenn sie sich am Ende ineinander verlieben? Und wir Stiefschwestern würden? Du hättest keine Lust, aus eurem Haus auszuziehen, und ich nicht aus unserem, und deshalb werden wir uns am Ende streiten und hassen.«
    »Du bist ja verrückt.« Annie lachte. »Sie sind Freunde. Nichts weiter.«
    »Bingo! Du hast vermutlich recht.«
    »Dass sie nichts weiter als Freunde sind?«
    »Nein, dass ich verrückt bin. Das beantwortet deine Frage, wo ich gesteckt habe – in der Klapse.«
    »Klapse?«
    »Klapsmühle. Irrenanstalt«, sagte Eliza mit lauter Stimme, obwohl sie an Gärten

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