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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Himmel?«
    »Kommt darauf an, was Sie unter ›kriminell‹ verstehen«, sagte der Agent und sperrte die Tür auf. Tara folgte ihm und stellte überrascht fest, dass der Raum eher einer Ein-Mann-Versicherungsagentur glich: Faxgerät, Kopierer, Computer, Telefon, stapelweise Unterlagen, Einwickelpapier von McDonald’s im Abfalleimer.
    »Was meinen Sie damit?« Tara roch sein Rasierwasser – würzig, mit einem Hauch Zitrone und Zimt –, während er an ihr vorbeigriff und die Deckenbeleuchtung anknipste.
    »Beim FBI ist die Definition des Begriffs ›kriminell‹ ziemlich weit gefasst. Bei Normalsterblichen ist sie meistens noch weitläufiger. Wenn ein Mann beispielsweise seine Frau betrügt, ist dies moralisch verwerflich, aber nicht kriminell im Sinne des Gesetzes.«
    »Wollen Sie jetzt von mir wissen, wann Sean angefangen hat, fremdzugehen, oder wann er kriminell wurde? Und muss das eine zwangsläufig zum anderen führen?«
    »Schwer zu sagen. Manchmal schon, aber nicht immer.«
    »Sean war von jeher ein Heißsporn. Ein Basketball-Star und Motorbootfan, der Bier und Partys liebte. Seine Frau war der Inbegriff eines netten, anständigen Mädchens, und Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Stimmt’s?«
    »Sieht ganz so aus«, sagte Joe, und Tara errötete.
    »Egal, das war eine Sache, solange wir noch nicht trocken hinter den Ohren waren. Aber die fortwährenden Seitensprünge und Besuche in den Spielcasinos standen auf einem anderen Blatt.«
    »Veränderte sich sein Verhalten – ich meine, seit er zu spielen begann?«
    »Hier gab es nicht immer Spielcasinos. Als wir aufwuchsen, war der östliche Teil von Connecticut eine ländliche Idylle. Seehäfen an der Küstenlinie, Farmen und Kühe im Landesinneren. Natursteinmauern in Hülle und Fülle. Aber plötzlich wurde daraus ein zweites Las Vegas, in unserem Mini-Staat. Ich glaube, keiner der Einheimischen konnte diese Entwicklung voraussehen.«
    »War Sean gleich Feuer und Flamme?«
    »Nein – normalerweise schimpfte er auf die Casinos, weil er dadurch länger brauchte, um zu seinem Boot zu gelangen. Wegen des höheren Verkehrsaufkommens und der Staus auf der I-95. Er meinte, dieser Teil unseres Staates befände sich wirtschaftlich auf dem Abstellgleis, seine Bank sehe sich gezwungen, immer mehr Hypotheken von Eigenheimen und landwirtschaftlichen Betrieben für verfallen zu erklären. Außerdem fand er es unmoralisch, dass sich ausgerechnet hier Casinos angesiedelt hatten – sie würden den Arbeitslosen das Geld aus der Tasche ziehen, die kaum ihre Familien über Wasser halten könnten.«
    »Trotzdem ist er irgendwann der Versuchung erlegen …«
    »Ja, wie viele, die anfangs keinen Fuß hineingesetzt hätten – die Casinos boykottierten, genauer gesagt: Die Neugier siegte. Sean nahm Bay bei seinem ersten Besuch mit, sie sahen sich eine Show an. Mit Carly Simon, ist schon ein paar Jahre her. Ich war auch dabei, mit einem Bekannten, und nach der Vorstellung blieben wir noch da und spielten ein paar Runden. Es war der Reiz des Neuen, aber ich hatte keine Lust auf eine Wiederholung.«
    »Und Bay?«
    »Ihr gefiel es noch weniger. Sie fand es deprimierend, die vielen alten Leute zu sehen, die einen Vierteldollar nach dem anderen an den Automaten verspielten. Sie meinte, dass da ihre Rente dahingehen würde, Münze für Münze.« Tara lächelte, als sie an Bays Worte dachte. »Sie machte mich auf eine kleine alte Dame aufmerksam, die auf einem Barhocker saß, den Henkelkorb mit den Münzen an einem Arm, während sie mit der anderen Hand ohne Unterlass den Hebel der Slotmaschine bediente. Da war eine
ganze Reihe
alter Damen wie sie, die aussahen, als würden sie dort
wohnen
: Münzkorb mit eigenen Namen, Schirmmützen gegen das grelle Licht … ›Kannst du dir unsere Großmütter an einem Ort wie diesem vorstellen?‹, hatte Bay gefragt. ›Ohne das zu tun, was sie sonst taten? Ohne uns Geschichten zu erzählen oder uns beizubringen, wie man den Garten hegt, und uns stattdessen zu lehren, wie man spielt?‹«
    »Missbilligte sie Seans Besuche im Casino?«
    »Erst als er dort Stammgast wurde … und sie deswegen belog.«
    »Sie glauben also, dass seine Spielsucht zur Entfremdung beitrug.«
    »Würde das nicht auch zur Entfremdung von
Ihrer
Frau beitragen?«, fragte Tara. »Und wenn Sie jedes Mal eine andere im Schlepptau hätten, sobald Sie das Haus verlassen?«
    Der Agent wurde rot. Kaum zu glauben, aber wahr – Tara sah die Hitze am Hals aufsteigen, und

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