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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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anlächelte – wie ein Fuchs das täte, der ein Karnickel gestellt hat, wenn er lächeln könnte. Der nach Kakao riechende Thomas jedoch bezog im Deutsch-LK den Platz neben mir und tat etwas, das mir die größte Angst einjagte: Er berührte mich andauernd. Plötzlich spürte ich sein linkes Knie an meinem rechten oder seine Schulter an meiner. Wie unbeabsichtigt legte er eine Hand auf meine, nahm mich kurz, aber theatralisch in den Arm, wenn ich mich zu Wort gemeldet hatte, hauchte mir einmal sogar einen Kuss auf die Schläfe, weil meine Antwort richtig gewesen war. Ich ekelte und fürchtete mich und hatte unfassbare Angst vor dem, was die drei abseits dieser offenkundigen Nickligkeiten für mich sonst in petto hätten.
    Letztlich war es eine simple, aber folgenreiche Sache. Wir befanden uns im dritten Semester, ein knappes halbes Jahr vom Abitur entfernt, jenem Meilenstein, der uns Wege in die Freiheit und weg von all dem eröffnen würde. Und, wie die drei wahrscheinlich – zu Recht, muss man sagen – dachten, einen Weg zur Rache. Chrissie war vor einem Dreivierteljahr schließlich wie erwartet abgegangen, nach einem Zusammenbruch in der Mädchentoilette. Ein Notarztwagen war vorgefahren, Sanitäter trugen sie aus dem Schulgebäude, in das sie nie wieder zurückkehrte.
     
    Sie stellten mich auf dem Heimweg an einem späten Januarnachmittag. Ich kam vom Gitarrenunterricht bei Mike Carey, einem Amerikaner, der »wegen
dis
Liebe«, wie er sagte, vor ein paar Jahren in Berlin gestrandet war. Mike gehörte zu denfreundlichsten, höflichsten und liebenswertesten Menschen, die mir bis dato begegnet waren. Er stammte aus Boston, war Anfang dreißig, hatte aber bereits als Studiomusiker bei den Aufnahmen zu einigen Alben mitgewirkt, die es in die
Billboard Hot 100
geschafft hatten. Wenn es in meinem Dunstkreis jemanden gab, der das Adjektiv »cool« in der Version von Tobi und Hans wirklich verdiente, war es der kahlköpfige Eins-Neunzig-Mann mit den schlanken, unglaublich flinken Fingern. Manchmal ließ er mich auf seiner 61er Les Paul spielen, und nicht nur dafür liebte ich ihn. Die Frau, die ihn nach Berlin gezogen hatte, lebte allerdings inzwischen mit einem Bassisten zusammen (Bassisten hielt Mike für grundsätzlich überflüssig), und von sehr gelegentlichen Studiojobs und spärlich besuchten Soloauftritten abgesehen, wurschtelte sich mein Gitarrenlehrer eher schlecht als recht durchs Leben, was seinem Optimismus und seiner guten Laune aber keinen Abbruch tat.
    Ich war in Eile, denn ich hatte am Morgen einen Brief bekommen – von Karen. Er war nur kurz und bestand hauptsächlich aus der Erzählung, wie sie es geschafft hatte, über den Text in der BILD, wo sie mich auf dem Foto erkannt hatte, meine Schule, meinen Namen und schließlich – nach anderthalb Jahren – mich selbst ausfindig zu machen. Er endete mit ihrer Telefonnummer, und ich wollte schnell nach Hause, um sie anzurufen und vier Jahre nach den Erlebnissen in Ungarn endlich mit ihr zu sprechen. Aber dazu kam es nicht.
    Meine inzwischen fast hundert Kilo trabten laut schnaufend durch den Volkspark Schöneberg – Mike wohnte in der Durlacher Straße, unweit der Gebäude, in denen sich damals noch der RIAS befand, der einzige Rundfunksender, der hin und wieder halbwegs hörbare Musik spielte. In diesem Gebäude war ich Jahrzehnte später gelegentlicher Gast, als Interviewpartner – beim Deutschlandradio, das die Räume bezog,nachdem der »Rundfunk im amerikanischen Sektor« aufgelöst worden war.
    Wir wohnten in einer hohen, aber kleinen Altbauwohnung in der Apostel-Paulus-Straße. Mein Weg führte in den Volkspark, durch ihn hindurch, am Rathaus Schöneberg vorbei und dann noch ein paar Querstraßen weiter. Doch an diesem Nachmittag erreichte ich mein Ziel nicht.
    Es war fast dunkel, der Park war menschenleer, abgesehen von ein paar älteren Frauen, die ihre kleinen Hunde auf die grauen Wiesen kacken ließen. Mein Atem dampfte,
Karen
schlug gegen meinen Rücken (ich hatte darüber nachgedacht, der echten Karen am Abend davon zu erzählen, dass ich meine Gitarre nach ihr benannt hatte, mich aber dagegen entschieden – vorläufig), und ich war aufgeregt. Die Erinnerungen an den Sommer 1980 waren mir sehr präsent, und ich wusste auf einmal wieder ganz genau, wie Karen ausgesehen hatte. Ich war längst nicht mehr verliebt, so glaubte ich jedenfalls, aber ich freute mich sehr auf sie.
    Dann roch ich etwas, nahm einen Duft wahr, der mich sofort in

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