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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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vermutlich wie ich auf das Rattatat der Zementplatten, über die wir hinweghuschten. Mama lag auf der Rückbank und schlief, oder sie tat so, denn gelegentlich war ein leises Winseln zu hören, wie damals von Tante Cordis Hund. Sonja hatte sich nicht dazu überreden lassen, mit ihnen zu sprechen, aber ich hatte mich mit ihr unterhalten, stundenlang. Ihr Herz war gebrochen – ein schaler Euphemismus für das, was mit ihr geschehen war.

Martin Gold (1990)
     
    Vom Namen, den Minka ihrem vierten Album schließlich gegeben hatte, erfuhr ich erst zwei Tage vor dem Veröffentlichungstermin. Ich war auf dem Weg zu Mike, den ich abholen wollte, um mit ihm in das kleine Kreuzberger Studio zu fahren, das wir für meine Demos gemietet hatten. Als ich in die Durlacher Straße einbog, sah ich es an einer Litfasssäule. Minkas markantes Gesicht im Profil, von hinten angeleuchtet, ein DIN-2A0-Plakat (praktisch DIN-A-minus-eins), über dem Bild ihr Name in der üblichen Minka-Typo, am unteren Rand des Plakats »Mai 1990: Das vierte, das beste« – und dann, in fetten gelben Lettern der Name des Albums.
    Gold
.
    Sie hatte es »Gold« genannt.
    Ich war reflexartig in die Klötze gegangen, hinter mir hupte jemand, also fuhr ich an den Straßenrand und schaltete den Warnblinker ein. Das Poster hing jetzt direkt rechts von mir, gut sichtbar durch das Fenster der Beifahrertür. Ich ließ die Scheibe hinabsurren, um sicher zu sein.
    Gold.
    Ich blinzelte, doch das veränderte nichts. Mein Name, der Name
meines
ersten Albums, jedenfalls der, den ich mir überlegt hatte – und von dem ich ihr erzählt hatte, in jener Nacht im November, als wir Sex hatten. Ich Idiot. Minka machte keine Gefangenen, Minka war rachsüchtig. Ich hätte es wissen müssen. Ich stieg aus, wieder hupte jemand, aber ich wedelte nur mit der linken Hand.
     
    »Es ist nicht das erste Album, das so heißt«, sagte Mike, was wohl ein Tröstungsversuch war.
    »Nenn mir eines.«
    »Äh.« Er lupfte eine Augenbraue. Letztlich fiel ihm nur eine einzige Single ein, die von Spandau Ballet aus dem Jahr 1983.
    »Diese Mistkröte.«
    »Übertreib es nicht. Ist doch nur ein Albumname. Nenn dein erstes Bronze, Silber oder Platin, meinetwegen Messing. Sei cool, nimm Plastik.«
    »Plaste«, widersprach ich und musste selbst lachen, wurde aber sofort wieder ernst. »Es geht nicht nur darum, dass sie mir diesen Titel geklaut hat. Sie hat auch meinen Namen gleich mitgeklaut. Ihr »Gold« ist ein Martin-Gold-Album, verstehst du? Acht von zwölf Songs habe ich geschrieben, bei fünfen davon auch die Texte. Sie fängt schon an, mir Äste in die Speichen zu stecken, bevor ich auf dem verdammten Fahrrad sitze.«
    Er zuckte die Schultern. »Das ist Minka.«
    »Du hast sie mir vorgestellt.«
    »Und du hast davon profitiert. Ich habe dich nicht dazu gedrängt, ihr deine Pläne zu verraten.
Ich
hätte dich davon abgehalten. Außerdem, unter uns. Dieser Schachzug von ihr ist fast schon genial.«
    Mir blieb nichts übrig, als ebenfalls die Schultern zu zucken. Aber ich war reichlich sauer und verstört, als wir das kleine Studio erreichten, in dem ich die vier oder fünf Stücke für das Demo aufnehmen wollte.
     
    Mike, György und ich hatten nächtelang Gespräche darüber geführt, welche Art von Musik zu meinen Texten passte, in denen es um Wahrheit, Liebe, Ehrlichkeit, die Schönheit der einfachen Dinge, Heimat im zwischenmenschlichen Sinn, Loyalität und ähnliche Themen ging, und welche Art von Musikmit mir als Person am ehesten funktionierte. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich davon ausgegangen, mich am Westcoast zu orientieren, die Tradition der amerikanischen Singer/Songwriter aufzugreifen, um auch solo zur Gitarre gute Gigs abliefern zu können, aber György winkte ab und erzählte wieder etwas von Fischen.
    »Das ist schön und künstlerisch wertvoll, wenn auch nicht sehr originell«, sagte er außerdem. »Vielleicht wird dich Joan Baez irgendwann als Supporting Act für ihre vorvorletzte Deutschlandtour buchen, oder du spielst mit dem alternden Suhlke skurrile Clubkonzerte in der Provinz. Ist es das, was du willst? Wen willst du erreichen? Vierzigjährige Pfeifenraucher, die deine Platten hören, während sie Rilke lesen und mit dem anderen Auge ihren pubertierenden Kindern beim Älterwerden zuschauen? Oder
alle

    Ich zwinkerte.
    »Es sollte schon poppig sein, eingängig, sich in klassischer Rock-Besetzung spielen lassen«, meinte Mike.
    »Wie auf der letzten Tour von Minka«, sagte

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