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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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verband sie nur kein warmes, freundschaftliches Vater-Sohn-Verhältnis? Was machte er falsch? Er hatte schon die heutige Schlacht verloren, und wenn nicht bald etwas geschah, würde er den gesamten Krieg verlieren.
    Als am Horizont die gewaltigen goldenen Dünen auftauchten, nahm Rory wohlwollend wahr, dass Zack sich auf dem Beifahrersitz aufrichtete.
    “Das sind die höchsten Dünen an der gesamten Ostküste”, sagte Rory.
    “Ziemlich cool”, gab Zack zu.
    “Als ich klein war, hätten die Stadtentwickler die Dünen um ein Haar niedergerissen, um neue Wohnanlagen zu bauen. Eine Frau konnte sie gerade noch daran hindern und machte daraus einen Staatspark.”
    “Sieh dir mal die Drachenflieger an”, staunte Zack.
    Rory bog auf den überfüllten Parkplatz ab. “Komm, wir sehen sie uns aus der Nähe an.”
    Sie stiegen aus dem Auto und gingen los. Allmählich wurde der Sandberg größer, und dann erklommen sie auch schon den Hang der ersten Düne. Menschen waren wie Farbkleckse über die Dünenflanke verteilt – einige hockten auf dem Kamm, Kinder kullerten und purzelten die sandigen Hügel hinunter. Über ihren Köpfen glitten einige Drachenflieger durch die Lüfte, ein paar weitere standen auf der Seite der größten Düne in Startposition, und ausgerechnet diese Düne wollte Zack unbedingt bezwingen. Er jagte los, und bald war Rory weit zurückgefallen. Als er den Kamm fast erreicht hatte, spürte er ein alarmierendes Stechen in seinem kranken Knie und war so kurzatmig wie noch nie. Entweder waren die Dünen in den letzten zwanzig Jahren um einiges höher oder er war um einiges älter geworden. Er konnte sich nicht daran erinnern, als Kind jemals so aus der Puste gewesen zu sein.
    Es gab vieles, was er mit den Dünen verband. Einst war er eines der Kinder gewesen, die sich die Sandhügel hinabrollen ließen, am Fuß mit schwindeligem Kopf wieder aufstanden und aus ihren Hosentaschen und Turnschuhen Unmengen von Sand auskippten. Er erinnerte sich auch, als Teenager hier gewesen zu sein – tagsüber in der sonnigen Hitze und nachts unter den Sternen.
    Auf dem Dünenkamm saß eine Reihe Leute, die den Drachenfliegern zusahen, und Zack und Rory gesellten sich zu ihnen. Die Sonne brannte, doch die milde Brise, die sanft Sandkörner gegen ihre Wangen blies, sorgte für Abkühlung. Von ihrem Platz aus konnten sie sowohl das Meer als auch die Bucht überblicken, und die Cottages unten am Strand sahen so winzig aus, als schaute man aus einem Flugzeug.
    “Ich glaube, die dort drüben lernen das Drachenfliegen gerade erst”, bemerkte Zack und wies auf eine Gruppe, die sich um einen am Boden stehenden Hängegleiter versammelt hatte.
    Rory tippte der jungen Frau neben ihm auf die Schulter. “Wissen Sie, ob das da drüben ein Kurs ist?”, fragte er.
    “M-hm”, antwortete sie. Die blonden Haare wehten ihr ins Gesicht, und sie strich sie mit einer Handbewegung weg. “Ein Anfängerkurs. Mein Cousin ist auch dabei.”
    “Welcher ist es denn?”, fragte Zack.
    “Der Junge, der eben gerade gelandet ist. Oder besser gesagt: der Typ, der eben mit dem Gesicht durch den Sand geschleift wurde.”
    Ihrem Cousin, der aus dieser Entfernung recht jung aussah, schien die raue Landung nichts ausgemacht zu haben. Jeder der angehenden Piloten trug Bein- und Brustgurt sowie Schutzhelm. Rory und Zack sahen sich noch ein paar Starts und Landungen an. Niemand schien furchtbar hoch oder lange zu fliegen, aber es wirkte durchaus einladend, in mehreren Metern Höhe über den Sand zu schweben.
    Zack war wie hypnotisiert. Endlich gab es neben dem Strand und Kara noch etwas, was sein Interesse weckte.
    “Wollen wir zwei nicht auch mal eine Stunde nehmen?”, schlug Rory vor.
    Zack sah ihn ungläubig an. “Eine Hängegleiter-Stunde?”
    “Klar.”
    “Meinst du hier? In diesem Sommer?”
    “Warum nicht?” Das ist zu schaffen, dachte Rory. Es sah recht sicher aus, und er hatte sich die Bruchlandungen der Anfänger mit anschließendem unbeschadetem Hochrappeln lange genug angesehen, um die Risiken abschätzen zu können. Er fragte sich lediglich, wie es seinem Knie bekäme, das immer noch vom Dünenaufstieg schmerzte. Aber egal – das hier war endlich etwas, was sie gemeinsam machen könnten.
    “Meinst du das wirklich ernst?”, fragte Zack. “Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du …”
    “Ich war schließlich einmal Berufssportler.” Rory fühlte sich plötzlich wie ein alter Mann.
    “Dann machen wir's”, sagte Zack.

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