Sommerkuesse
ich weiß auch nicht, wohin damit.
»Ich hol mir mal was zu trinken«, sage ich. »Wollt ihr auch was?«
»Na klar. Cola!«
»Eistee oder so was Ähnliches.«
»Okay. Rasier sie nicht ganz kahl, während ich weg bin.«
Als Erstes gehe ich in mein Zimmer und lege den Zopf in die unterste Kommodenschublade, noch unter den Pulli, den Mom mir aufgedrängt hat, falls es kalt werden sollte. Anschließend gehe ich zu den Getränkeautomaten und kehre dann zu den beiden zurück.
Katrina fährt mit der Haarschneidemaschine auf Battles Schädel auf und ab und brummt dazu wie ein Rennwagen.
»Habt ihr jetzt gleich Durst, oder wollt ihr warten, bis ihr fertig seid?« Ich bin wieder Teil des Hintergrunds. Kümmere mich um die Requisiten.
»Her damit!« Katrina greift nach der Cola und Battle lässt sich die Flasche mit dem gefährlich rot aussehenden Erdbeer-Eistee reichen. Mir habe ich gar nichts mitgebracht, aber das fällt den beiden nicht auf.
Battle fährt sich kichernd über den streifig rasierten Kopf. »Am liebsten würde ich es so lassen«, sagt sie.
»Gar keine üble Idee«, sagt Katrina nachdenklich. »Du kannst jeden zweiten Streifen schwarz färben – so im coolen neuen Hummel-Look.«
Battle schüttelt den Kopf. »Nein.« Sie klingt wieder sehr entschlossen. »Ganz oder gar nicht.«
»Entschuldige meine dumme Frage, Baby … aber du bildest dir doch nicht etwa ein, dass du damit was erreichst, oder?«, sagt Katrina. »Ich finde die Idee ja grundsätzlich cool. Glatze ist geil und alle Macht dem Volke und so, aber erwarte lieber keine radikalen Veränderungen bei deinen Eltern, ja?«
Bevor Battle antworten kann, sage ich: »Ich hab das Gefühl, dass sie damit weniger was erreichen als eher so eine Art Message rüberbringen will, oder?«
»Genau«, sagt Battle.
» I just gotta get a message to youu-uu-uu-u «, jodelt Katrina. »Na gut, dann mal los!«
Das ist leichter gesagt als getan. Die Schneidemaschine gibt den Geist auf, weil sich die feinen Härchen wahrscheinlich in ihrem Inneren verklumpt haben, und wir wissen nicht, wie man sie auseinander nimmt.
»Wie wär’s mit Enthaarungscreme?«, schlägt Katrina vor.
Zuletzt entscheiden wir uns für eine Nassrasur mit Rasierschaum. Wir ziehen ins Badezimmer am Ende des Gangs um und besetzen eines der Waschbecken. Zum Glück kommt
abends um elf Uhr niemand auf die Idee, noch duschen zu wollen.
Die Rasur ist der komplizierteste Teil und macht am wenigsten Spaß. Jedes Mal wenn Katrina glaubt, fertig zu sein, entdeckt sie doch noch irgendwo ein paar Stoppeln. Dann endlich tritt sie ein paar Schritte zurück. »Allmählich sehe ich schon Haare, wo gar keine sind«, stöhnt sie. »Kannst du ihr mal über den Kopf fühlen, Nic?«
Ich wische mir die Hände an den Jeans ab und lege sie zögernd auf Battles Schädel.
»Deine Hände sind eiskalt!«, beschwert sie sich. Ihre Stimme hört sich sehr laut an.
»Sorry.« Ich ziehe die Hände sofort wieder weg.
»Quatsch, mach ruhig – ich hab nur einen Schreck gekriegt«, sagt sie hastig.
Wieder lege ich ihr die Hände auf den Schädel. Er ist warm und rosa und sieht ein bisschen nackt aus. Ihr Kopf fühlt sich glatt an, merkwürdig. Ich streiche darüber, spüre den Schädelknochen unter der Haut und frage mich, ob meine Finger vielleicht eine Art Schleimspur hinterlassen, als wären sie zehn Schnecken.
Ich höre Battles Atemzüge – lauter als sonst? Schneller? Oder ist es mein eigenes Atmen, das ich höre?
Ich muss schlucken. Mehrmals. Ich hätte mir doch auch was zu trinken holen sollen.
»Ich spüre nichts mehr«, verkünde ich schließlich und trete zur Seite.
Als ich Battle zum ersten Mal sah, war sie »die schöne Langhaarige«. Es kommt mir vor, als wäre das schon Urzeiten her. Sie ist natürlich immer noch schön. Aber jetzt sieht sie
verletzlicher aus. Kleiner. Ich möchte sie beschützen. Wenn ich auch nicht weiß, wovor.
»Iiih, ich hab überall unterm T-Shirt Haare kleben«, quietscht Battle. Ihre Stimme klingt gepresst. Sie nimmt das T-Shirt an den Schultern zwischen die Fingerspitzen und zupft ein paarmal daran, um die Härchen abzuschütteln.
»Das nützt nichts. Eigentlich müsstest du duschen«, sage ich, ohne mir was dabei zu denken. Plötzlich sehe ich sie vor mir. Total realistisch. Battle unter der Dusche. Mit Spezialeffekten. Wie aufs Stichwort schießt mir das berühmte Lancaster-Neonrosa in die Wangen. Was, schon wieder? Ganz genau, schon wieder.
»Wahrscheinlich hast du
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