Sommerkussverkauf
mehr viel Zeit. Sie hat mich angefleht, dich zu finden.«
»Ich weiß nicht recht. Es ist ein ziemlich weiter Weg.«
»Es geht ihr wirklich nicht gut, Den. Ich musste sie in einem Pflegeheim unterbringen. Hör zu, ich kann dir das Geld für das Flugticket telegrafisch überweisen …«
»Dazu besteht kein Anlass. Ich werde darüber nachdenken. Vielleicht komme ich, vielleicht auch nicht«, meinte Den trotzig.
»Ist gut.« Das war immerhin besser als eine glatte Weigerung. »Es wäre schön, dich wiederzusehen.« Als Kerr es sagte, fragte er sich, ob er es auch wirklich so meinte. In Wirklichkeit waren seine Gefühle für Den sehr gemischt.
»Wäre es das?« Das Lachen seines Bruders klang hohl, voller Bitterkeit und Zweifel.
»Bist du verheiratet?« Es war nicht leicht, sich vorzustellen, dass Den eine Frau und Kinder haben könnte, eine ganze Familie, von der er nichts wusste.
»Verheiratet? Nein.« Den schwieg kurz. »Und du?«
»Ich auch nicht.«
Was ich dir zu verdanken habe.
»Hast du eine feste Freundin?«
Kerr fragte sich, wie Den reagieren würde, wenn er ihm erzählte, mit wem er bis letzte Woche zusammen war. Laut sagte er: »Nein.«
»Hast du die Richtige noch nicht gefunden?«
O doch, das habe ich.
»In der Art.« Kerr klang brüsk.
»Na gut, ich muss los. Falls ich beschließe zu kommen, dann rufe ich dich an.«
»Soll ich dir das Geld für das Flugticket schicken?«
Pause.
»Wenn du willst«, meinte Den unbeholfen.
»Gib mir deine Bankverbindung.«
»Steht das Haus noch?«, fragte Den abrupt. »Ich meine, gehört es noch der Familie?«
Das also interessierte ihn, dachte Kerr. Hillview war ungefähr eine dreiviertel Million Pfund wert.
»Es gehört noch der Familie«, meinte er nüchtern. »Keine Sorge, sobald sie tot ist, kriegst du die Hälfte.«
Es herrschte verblüffte Stille, dann sagte Den: »Drauf geschissen, Kerr« und hängte ein.
»Es ist alles klar«, verkündete Sara.
Über zehntausend Meilen entfernt sah Kerr auf und sagte: »Was?«
»Jamesons Kiosk. Der Typ, dem der Kiosk gehört, heißt Mike Jameson«, erklärte Sara geduldig. »Er hat sich einverstanden erklärt, die Lieferung unserer Sandwiches anzunehmen.«
»Ist gut«, sagte Kerr.
36 . Kapitel
Marcella arbeitete jetzt weniger im Dauncey House, was Estelle sehr recht war. Mit Will als Gast war es zwar kein Problem, in Gegenwart ihrer Familie normal zu tun, weil Estelle in deren Augen die Letzte war, der man es zutrauen würde, sich unschicklichen Vergnügungen hinzugeben. Aber mit Marcella war es etwas anderes, sie war eine aufmerksame Beobachterin. Ihr entging nicht viel. Estelle, die entsetzliche Angst hatte, dass ihr etwas herausrutschen könnte, fand es zunehmend schwierig – aber gleichzeitig merkwürdig belebend –, eine Aura der Normalität aufrechtzuerhalten.
Glücklicherweise hatte Marcella andere Dinge im Kopf, die sie ablenkten.
»Sie isst nicht. Ich habe gestern Abend einen meiner Schmortöpfe ins Cottage gebracht, und Jake sagt, sie habe ihn nicht einmal angerührt. Und sie hat so viel abgenommen – glauben Sie, dass sie noch krank wird?«
»Natürlich nicht. Frauen machen ständig mit Männern Schluss und überleben es.«
»Ich weiß, dass Maddy unglücklich ist«, sagte Marcella. »Und ich hasse es, sie so leiden zu sehen. Aber es ist nicht so, dass ich meine Meinung ändern würde. Wie könnte ich? Sie darf ihn nicht mehr sehen, so viel steht fest. Geben Sie mir diese Tasse.« Marcella langte über den Tisch. »Sobald ich den Geschirrspüler eingeräumt habe, bin ich weg.«
»Darf ich Sie dabei filmen?« Will griff nach seiner Handkamera.
»Wie bitte? Wie ich mich nach vorn beuge, um die Teller einzuräumen? Damit ich und mein dicker Hintern den ganzen Fernsehbildschirm ausfüllen? Da würde sich die Nation aber freuen. Nein danke.«
Estelle sagte: »Sie brauchen das Geschirr nicht in die Maschine zu räumen, das kann ich erledigen. Gehen Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus. Und Ingwerkekse sind gut gegen die Übelkeit«, fügte sie hinzu.
»Wissen Sie, ich bin dermaßen froh, schwanger zu sein, da macht mir die Übelkeit gar nichts aus.« Marcellas Augen funkelten und sie tätschelte beschützend ihren Bauch. »Ich habe mich so viele Jahre danach gesehnt, zu erfahren, wie sich das anfühlt. Das ist der Beweis, dass es endlich Wirklichkeit wurde.«
Als Marcella gegangen war, fuhr Estelle mit dem Bügeln fort. Sie war sich Wills Blick, der auf ihr ruhte, deutlich bewusst und
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