Sommerliches Schloßgewitter
lang war Ronnie enttäuscht.
»Na, jedenfalls könnte ich der Familie von ihm erzählen«, sagte er, als er sich gefaßt hatte. »Ich könnte ihnen sozusagen den Gardeoffizier unter die Nase reiben.«
»Wenn du willst. Aber sie werden trotzdem Einwände gegen mich haben, weil ich im Revuetheater tanze.«
Ronnie zog die Augenbrauen zusammen. Er dachte an seine Mutter und er dachte an seine Tante Constance, und sein Verstand sagte ihm, daß sie recht hatte.
»Was die Leute nur für blöde Vorstellungen von einem Revuegirl haben!« sagte er. »Nur weil ein Mädchen im Ballett tanzt, denken sie, sie müßte eine Art lebender Champagner-Behälter sein …«
»Puh!«
»… und ihre Zeit damit verbringen, mit betrunkenen Geschäftsmännern auf dem Tisch zu tanzen …«
»Keine schlechte Idee«, sagte Sue nachdenklich. »Ich muß das demnächst mal ausprobieren.«
»… und wenn sie dann einen jungen Mann heiraten will, macht seine Verwandtschaft lange Gesichter und sträubt sich mit Händen und Füßen. Das hat’s in meiner Familie schon einmal gegeben. In grauer Vorzeit war mein Onkel Gally mal in ein Mädchen vom Theater verliebt, und daraufhin haben sich alle quer gelegt und die Sache hintertrieben und ihn nach Südafrika oder sonstwohin verfrachtet, damit er sie vergessen sollte. Und was ist aus ihm geworden? Hat im Jahr Neunzehnhundert dreimal nüchtern durchgeatmet und beschlossen, daß das für den Rest seines Lebens genug sei. Wahrscheinlich werde ich mal genauso. Wenn ich mich in den Gemäuern von Blandings dem Suff ergebe, weit von dir entfernt, dann wäre das kein Wunder. Das ist doch alles Unsinn! Ich kann sowas gar nicht verstehen. Am liebsten würde ich gleich heute abend zu Onkel Clarence gehen und ihm ganz einfach sagen, daß wir uns lieben und deshalb heiraten wollen, und wenn’s der Verwandtschaft nicht paßt, dann soll sie uns gestohlen bleiben.«
»Das täte ich aber nicht.«
Ronnie beruhigte sich wieder.
»Vielleicht hast du recht.«
»Bestimmt. Wenn er von mir erfährt, wird er dir auf keinen Fall Geld geben. Aber wenn nicht, tut er’s vielleicht. Was für ein Mensch ist er denn?«
»Onkel Clarence? Ach, ein sanftmütiger, verträumter alter Herr. Hat nur seinen Garten und sowas im Kopf. Augenblicklich ist ein Mastschwein sein ein und alles.«
»Das klingt doch ganz gut.«
»Jaja, ich wollte, ich wäre selbst ein Schwein; dann wäre es kein Problem, zu ihm zu gehen und Wünsche zu äußern. Er würde mich bestimmt herzlicher begrüßen.«
»Na, angegrunzt hast du mich ja schon.«
Ronnie erschauerte. Reue nagte an dem Herzen, das unter seiner maßgeschneiderten Weste heftig pochte.
»Entschuldige. Es tut mir wirklich leid. Weißt du, ich bin so verrückt nach dir, daß ich auf jeden eifersüchtig bin, der dir begegnet. Wenn du mich je verlassen würdest, Sue, dann … ich weiß nicht, was ich dann tun würde. Ach … Sue …«
»Hm?«
»Versprich mir was.«
»Was denn?«
»Versprich mir, daß du mit keiner Menschenseele ausgehst, während ich in Blandings bin. Nicht einmal zum Tanzen.«
»Nicht einmal zum Tanzen?«
»Nein.«
»Na schön.«
»Vor allem nicht mit diesem Pilbeam.«
»Ich dachte schon, du würdest ›Hugo‹ sagen.«
»Wegen Hugo mach’ ich mir keine Sorgen. Der ist in Blandings gut aufgehoben.«
»Hugo in Blandings?«
»Ja, er ist Sekretär bei meinem Onkel Clarence. Ich habe meine Mutter überredet, ihm den Posten zu verschaffen, als das Hot Spot einging.«
»Dann hast du also ihn und Millicent und Miss Schoonmaker als Gesellschaft. Wie schön für dich!«
»Ach was – Millicent!«
»Hör mir auf mit ›Ach was – Millicent‹. Wenn du mich fragst: diese Person ist gefährlich. Schon der Name klingt so anschmiegsam und verführerisch. Ich sehe förmlich, wie sie mit dir im Mondschein unter diesen hundertjährigen Ulmen wandelt und mit großen verträumten Augen zu dir aufblickt …«
»Du meinst ›Zu mir herunterblickt‹. Sie ist etwa einen Kopf größer als ich. Und außerdem, wenn du glaubst, daß es irgendwo ein Mädchen gibt, das mir auch nur einen freundlichen Blick entlocken könnte, solange ich dich habe, dann bist du im Irrtum. Ich gebe dir mein Ehrenwort …«
Er wurde poetisch. Sue lehnte sich zurück und lauschte zufrieden. Die drohenden Wolken, die zeitweilig den Himmel verfinstert hatten, waren verschwunden. Es war doch noch ein romantischer Nachmittag geworden.
3
»Da fällt mir ein«, sagte Ronnie, nachdem sein Redeschwall verebbt
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