Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
Schule gehen«, fügte sie hinzu.
»Wir könnten dir Hauslehrer besorgen …«, begann er.
»Nein. Erst die Schule, dann das College«, erwiderte sie entschieden.
»College. Wir werden ein passendes für dich finden.« Er nickte. Ihr Beharren auf Unabhängigkeit befremdete ihn zwar – als er angefangen hatte, nach ihr zu suchen, waren die Frauen noch fügsamer gewesen –, aber dass sie an der Welt der Sterblichen festhielt, war unter den Umständen, in denen sie sich befand, durchaus nachvollziehbar. Und vielleicht profitierte ihre Herrschaft sogar davon.
Sie belohnte ihn mit einem fast schon freundlichen Lächeln, das sie geradezu kooperativ aussehen ließ. »Ich kann das hier mitmachen, wenn es eine Art Job für mich ist, verstehst du?«
»Ein Job?«, wiederholte er.
»Ein Job.« Sie hatte einen merkwürdigen Unterton in der Stimme, so als dächte sie selbst noch darüber nach.
Er schwieg verblüfft. Ein Job? Seine Gemahlin betrachtete ihre Verbindung als einen Job?
»Ich kenne dich nicht. Du kennst mich nicht.« Sie sah ihn erneut auf diese seltsam einschüchternde Weise an. »Ich kann mit dir zusammenarbeiten, aber das ist auch alles. Ich bin mit Seth zusammen. Und daran wird sich nichts ändern.«
»Du bittest also darum, an dem Sterblichen festhalten zu können?« Er versuchte so zu tun, als machte ihm das nichts aus, aber es tat weh. Sie hatte es zwar schon mal angedeutet, aber wenn man es aussprach, wurde es so viel realer. Seine Königin – seine ihm vom Schicksal zugedachte Gefährtin – wollte mit einem anderen zusammen sein, mit einem Sterblichen, und nicht mit ihm.
Sie reckte erneut ihr Kinn. »Nein. Ich halte an ihm fest. Das ist keine Bitte.«
Er wandte nichts dagegen ein, wies sie nicht darauf hin, wie kurz das Leben von Sterblichen war. Er sagte ihr nicht, dass er sein ganzes Leben lang auf sie, auf sie allein , gewartet hatte. Er erinnerte sie nicht daran, wie sie auf dem Jahrmarkt zusammen gelacht und getanzt hatten. Nichts davon war wichtig. Nicht in diesem Moment. Das Einzige, was zählte, war, dass sie ja sagte.
»Ist das alles?«, fragte er vorsichtig.
»Fürs Erste ja.« Ihre Stimme klang dünn, nicht mehr so zornig und aggressiv. Einen Augenblick lang wirkte sie ganz verloren, dann fragte sie zögernd: »Und jetzt?«
Er wollte eigentlich jubeln, sie in den Armen halten, bis sie ihre Bedingungen widerrief, und darüber weinen, dass sie zur gleichen Zeit ja und nein sagte. »Und jetzt, meine Königin, gehen wir zu Donia«, sagte er stattdessen.
Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte Donias Nummer. Sie war nicht zu Hause oder ignorierte ihn. Also sprach er ihr aufs Band, dass sie ihn zurückrufen solle.
Nachdem er aufgelegt hatte, sandte er seine Wachen aus, um sie zu suchen.
»Ich weiß, wo sie wohnt«, murmelte Ashlyn. »Wir könnten uns dort treffen. Du könntest mich anrufen und …«
»Nein. Wir warten zusammen.« Jetzt, da sie bei ihm war, wollte Keenan sie um nichts in der Welt noch einmal aus den Augen lassen, bevor alles erledigt war. Und er glaubte auch nicht, dass er sie überhaupt je wieder freiwillig aus den Augen lassen würde. »Egal, ob du es als Job betrachtest oder nicht, du bist meine Königin, die, auf die ich gewartet habe. Ich bleibe an deiner Seite.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Weißt du noch, wie du gefragt hast, ob wir noch mal ganz von vorn anfangen können?«, fragte sie und sah ihn nervös an. »Wir wär’s, wenn wir das jetzt wirklich mal tun? Wenn wir versuchen, Freunde zu sein? Es wird wahrscheinlich sehr viel leichter, wenn wir versuchen, miteinander klarzukommen, glaubst du nicht?« Sie bot ihm ihre Hand an.
»Abgemacht«, sagte er und schlug ein. Erst dann wurde ihm die Absurdität des Ganzen bewusst – seine ihm vom Schicksal zugedachte Königin betrachtete ihre Regentschaft als einen Job, den sich zwei Freunde teilten. In all den Nächten, in denen er diesen Moment herbeigesehnt, in denen er davon geträumt hatte, endlich seine Königin zu finden, hatte er sich niemals vorgestellt, dass es ein angestrengter Versuch sein würde, Freundschaft zu schließen.
Sie zog ihre Hand wieder weg und stand einen Moment lang verlegen da. »Wohin würdest du jetzt gehen, wenn ich nicht bei dir wäre?«, fragte er.
»Zu Seth.« Sie errötete leicht.
Keenan hatte nichts anderes erwartet; dieser Sterbliche – Seth , korrigierte er sich – schien ihr von Tag zu Tag mehr zu bedeuten. Er lächelte sie, wie er hoffte,
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